Warum Internetunternehmen für ihren Datenverkehr bezahlen sollten
Rasant ansteigende Datenverkehre, Milliardeninvestitionen für den Ausbau neuer Netze, Nachhaltigkeit und Klimaschutz stellen die Digitalbranche vor große Herausforderungen. Sollten große Internetunternehmen einen Beitrag für den Datentransport in Breitband- und Mobilfunknetzen leisten? Zwei neue Studien geben der Debatte neuen Schub: Der Datenverkehr der großen digitalen Plattformen kostet die europäischen Telekommunikationsunternehmen insgesamt bis zu 40 Milliarden Euro im Jahr. Nicht nur die Digitalbranche, sondern die gesamte europäische Wirtschaft würde von einer fairen Kostenaufteilung profitieren – und der Klimaschutz ebenfalls.
Das Datenvolumen in europäischen Breitband- und Mobilfunknetzen wächst exponentiell, maßgeblich getrieben von dem Verkehr der großen Internetunternehmen. Telekommunikationsunternehmen investieren Jahr für Jahr Milliarden, um sicherzustellen, dass Breitband- und Mobilfunknetze dieses Verkehrswachstum bewältigen können. Bislang sind es die Endkundenumsätze der Telekommunikationsunternehmen, die den Netzausbau finanzieren – Internetunternehmen tragen so gut wie nichts dazu bei. Die Debatte um eine faire Kostenaufteilung ist mittlerweile in vollem Gange: Die CEOs der großen europäischen Telekommunikationsunternehmen – darunter Tim Höttges – fordern eine faire Lastenteilung im Sinne eines Beitrags der großen Internetkonzerne zu den Netzkosten, die von den Datenverkehren verursachten werden. Auch die Europäische Kommission hat das Ziel vorgegeben, dass alle Marktteilnehmer einen „fairen und verhältnismäßigen Beitrag“ zu den Kosten der Infrastrukturen leisten sollten.
Bis zu 40 Milliarden Euro im Jahr für den Datenverkehr der großen Internetunternehmen
Welche Kosten entstehen den europäischen Telekommunikationsunternehmen aufgrund der rasant ansteigenden Datenverkehre? Eine neue Studie von Frontier Economics (pdf, 635,7 KB) zeigt erstmals, dass europaweit die verkehrsbedingten Netzkosten insgesamt zwischen 36 und 40 Milliarden Euro liegen – pro Jahr. Auf Nutzerbasis sind dies im Durchschnitt zwischen 40 und 47 Euro pro Kunde im Festnetz bzw. zwischen 43 und 46 Euro im Mobilfunk. In einigen Ländern können die Werte noch deutlich höher ausfallen. Frontiers Analyse basiert auf umfangreichen Kostendaten, die Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone dem Beratungsunternehmen zur Verfügung gestellt haben. Bemerkenswert: Die hohen Kosten für den FTTH-Ausbau sind dabei nicht in die Berechnung eingeflossen, weil unterstellt wird, dass der Ausbau der Anschlussnetze im Festnetz nicht unmittelbar verkehrsgetrieben ist.
Internetunternehmen spielen ihre Markt- und Verhandlungsmacht aus
Eine ebenfalls neu erschienene Studie von Axon analysiert die bestehende Schieflage im Zusammenspiel zwischen Internet- und Telekommunikationsunternehmen und ihre Folgen. Die Studie dokumentiert, dass sechs große Internetunternehmen – Google, Facebook, Netflix, Apple, Amazon und Microsoft – über die Hälfte des Datenverkehrs im Internet verursachen. Ihre Wirtschaftskraft ist enorm: Die Marktkapitalisierung dieser sechs Unternehmen ist dreißigmal so hoch wie die der acht größten europäischen Telekommunikationsunternehmen in Summe. Während die FANG ihren Umsatz seit 2015 um 500 Prozent steigern konnten, sind die Umsätze der europäischen Telekommunikationsunternehmen im gleichen Zeitraum um 7 Prozent gesunken.
Das Kernproblem, so die Axon-Studie, liegt darin, dass Telekommunikationsunternehmen nicht in der Lage sind, faire kommerzielle Bedingungen für die Nutzung ihrer Netze mit den großen Internet-Plattformen auszuhandeln. Internetunternehmen profitieren von der Unverzichtbarkeit ihrer Inhalte für die Nutzer, von ihrer dominanten Marktstellung und letztlich auch davon, dass jegliche wirtschaftliche, regulatorische oder politische Mechanismen fehlen, die dazu beitragen könnten, gleiche Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen. Die Folge: Die IP-Transit Entgelte (die „Großhandelspreise“ für den Datentransport) sind im Sinkflug, manche Tech-Unternehmen wollen diese sogar ganz abschaffen.
Explodierende Datenverkehre, hohe Kosten für den Ausbau moderner Netze, fallende Telekommunikationsumsätze und eine fehlende Lastenteilung haben, so Axons Diagnose, massive Nachteile für den europäischen Telekommunikationsmarkt: Investitionen für den Ausbau moderner FTTH- und 5G-Netze leiden, digitale Innovationen und Servicequalität werden in Mitleidenschaft gezogen, der Klimaschutz hat das Nachsehen.
Faire Kostenteilung: Netzausbau, Wirtschaft und Umwelt profitieren
Was wäre, wenn große Internetunternehmen faire Entgelte für ihren Datenverkehr bezahlen würden? Die Axon-Experten sind dieser Frage nachgegangen und haben drei Szenarien analysiert, die unterstellen, dass große Internetunternehmen zehn, 20 bzw. 30 Milliarden Euro an Europas Netzbetreiber für den Transport ihres Datenverkehrs bezahlen. Die Ergebnisse sind beeindruckend, weil aufgrund von Multiplikatoreffekten die Auswirkungen weit über den Digitalsektor hinausgingen. So würde ein Beitrag der Internetunternehmen von jährlich 20 Milliarden Euro, der einen beschleunigten Netzausbau erleichterte, europaweit die Wirtschaftsleistung bis 2025 um bis zu 72 Milliarden Euro steigern. Weiterhin könnten 840.000 neue Arbeitsplätze entstehen, Netzerlebnis und Innovationstätigkeit gefördert sowie Energieverbrauch und CO2-Emissionen deutlich reduziert werden.
Was muss jetzt geschehen?
Ziel muss es sein, einen ausgewogenen Rahmen zu schaffen, der Verhandlungen auf Augenhöhe zwischen den großen Internet- und den europäischen Telekommunikationsunternehmen sichert. Neue Vorgaben auf EU-Ebene sind dabei am besten geeignet, das Problem der ungleichen Verhandlungsmacht zu lösen, das zu der jetzigen Schieflage im digitalen Ökosystem geführt hat. Solche Vorgaben könnten etwa das „Sending-Party-Pays“ Prinzip im Internet gesetzlich verankern, ein Mandat für kommerzielle Verhandlungen zu fairen Bedingungen vorsehen und Schlichtungsmechanismen etablieren – für den Fall, dass in Verhandlungen keine Einigung erzielt wird.
Wie neue Vorgaben auf EU-Ebene im Einzelnen ausgestaltet werden, müssen letztlich EU-Kommission, EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten der Union entscheiden. Aber es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber sich mit mehr Engagement der Frage widmet, welche Lösung am besten hilft. Die richtigen Maßnahmen würden Europas digitaler Wirtschaft einen deutlichen Schub verpassen und im Interesse aller Europäer die Nachhaltigkeit digitaler Infrastrukturen langfristig sichern.
Politik und Regulierung
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