Wie nachhaltig ist das unbegrenzte Datenwachstum im Netz?
Ein Beitrag von Wolfgang Kopf, Leiter Zentralbereich Politik und Regulierung Deutsche Telekom AG.
YouTube verursacht im Mobilfunknetz der Telekom den meisten Datenverkehr: Im Jahr 2021 waren es durchschnittlich 357 Terabyte pro Tag, eine Steigerung von beachtlichen 96 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Weltweit fließt heute das Dreihundertfache an Verkehr über die Netze der Mobilfunkbetreiber im Vergleich zu vor zehn Jahren. Keine Frage: die digitale Infrastruktur ist das Rückgrat von Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft – gerade auch in Pandemiezeiten. Rasant ansteigende Datenverkehre erfordern hohe Investitionen in den kontinuierlichen Ausbau der Netze: europaweit rund 300 Milliarden Euro bis 2030. Gleichzeitig leisten Glasfaser und 5G, die modernsten Netztechnologien, aufgrund ihrer höheren Effizienz einen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz.
Dennoch sind ungebremst anwachsende Datenverkehre – der Großteil entfällt auf eine Handvoll globaler Internetunternehmen – auch Treiber des Energieverbrauchs. Nach einer Prognose könnte der IKT-Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen bis 2040 auf über 14% ansteigen. Der Löwenanteil davon verursacht durch Streaming, begünstigt von geringen Anreizen für einen rationellen Umgang mit Datenströmen. Im Fokus stehen schon heute die Rechenzentren der großen Internetunternehmen. So hat etwa Irland die Ansiedlung solcher Rechenzentren lange Zeit gefördert, aber jetzt einen Kurswechsel eingeleitet. Der Grund: der staatliche Stromnetzbetreiber EirGrid prognostiziert, dass der Strombedarf der Hyperscaler-Rechenzentren bis 2028 nahezu 30 Prozent des irischen Stromverbrauchs ausmachen könnte – eine gewaltige Herausforderung für die Stromversorgung des Landes. In Frankfurt durchkreuzt der Datencenter-Boom die Klimaziele der Stadt, weshalb ein „Masterplan Rechenzentren“ mit einem umfassenden Klimaschutzkonzept gefordert wird.
Wie kann der Daten-Tsunami eingedämmt werden, um Stromverbrauch und Umweltkosten zu reduzieren? Wissenschaftler von der Technischen Hochschule Aachen und der Wirtschaftsuniversität Wien haben in einer aktuellen Fachpublikation unterschiedliche Szenarien modelliert, wie sich der künftige Energieverbrauch, der durch Video-Streaming verursacht wird, entwickeln wird. Im ungünstigsten Fall könnte sich der Energieverbrauch bis 2030 verachtfachen. Die Autoren zeigen aber auch, dass es mit einer intelligenten Regulierung gelingen könnte, den Energieverbrauch nahezu konstant zu halten. Dies gelingt am besten, wenn die großen Streaming-Plattformen ein verursachungsgerechtes Entgelt für die Verkehrsabwicklung entrichten müssten. Dies würde, ähnlich wie eine CO2-Steuer, ein Preissignal setzen und Anreize schaffen, Verkehrsströme zu optimieren.
Die Frage einer nachhaltigen Zukunft des Internets haben Expert*innen auch bei unserem jüngsten Netzgeschichten TALK diskutiert:
Bislang haben die großen Internetunternehmen ihre Markt- und Verhandlungsmacht ausgenutzt, um immer niedrigere Zusammenschaltungsentgelte im Internet durchzusetzen oder diese gleich ganz abzuschaffen. Unterstützt wird dies durch Gesetze, die die sogenannte „Netzneutralität“ wahren sollen. Da Netzneutralität durchgängig Verfahren zu Datenkomprimierung, intelligentem Routing und anderen nachhaltigen Verfahren, die die Effizienz der Netze erhöhen und den Energieverbrauch senken, als unzulässigen Eingriff definiert, ist sie zu einer Hauptquelle für CO2-Emmissionen geworden. Aber auch der Widerstand gegen die aufoktroyierte Nullpreispolitik wächst. In Südkorea hat der Erfolg der Hit-Serie „Squid Game“ zu einem massiven Verkehrsanstieg geführt – weshalb der Netzbetreiber SK Broadband von Netflix verlangt, sich an den Kosten des massiv erhöhten Streaming-Traffics zu beteiligen. In den USA setzten sich hochrangige Vertreter der Biden-Administration dafür ein, dem Freifahrtschein der großen Internetunternehmen auf den Breitbandnetzen des Landes ein Ende zu bereiten. Auch in Europa fordern die CEOs der großen Telekommunikationsunternehmen – darunter Tim Höttges – eine faire Lastenteilung und einen Beitrag der großen Internetkonzerne zum Netzausbau.
Eines steht fest: Ungebremst steigende Verkehrsmengen, die von einigen wenigen großen Internetplattformen verursacht und monetarisiert werden, sind nicht nachhaltig. Die resultierenden Kosten für den Netzausbau schultert die Telekommunikationsbranche, um Engpässen im Netz vorzubeugen und Kunden eine gute Video-Qualität anbieten zu können. Gleichzeitig verursachen die steigenden Verkehrsmengen nicht unerhebliche Umweltkosten, die von den Internetkonzernen ebenfalls abgewälzt werden. Deshalb wäre die Politik gut beraten, Preissignale zu setzen und damit Anreize zu schaffen, Verkehrsströme zu optimieren.
Politik und Regulierung
Die Telekom beteiligt sich aktiv an digitalpolitischen Debatten: Verantwortungsvoll, fair und faktenbasiert.