Der „Tunnel-Tanz“: Mehr Schwung im Mobilfunknetz der Schwarzwaldbahn
Als der Bauingenieur Robert Gerwig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Schwarzwaldbahn plante, dachte er an so gut wie alles – und schuf ein technisches Meisterwerk. Obwohl die Züge auf den 149 Kilometern zwischen Offenburg und Singen (Hohentwiel) 650 Höhenmeter überwinden müssen, schaffte es Gerwig, die Strecke so flach zu halten, dass er den damals üblichen Zahnradbetrieb vermeiden konnte. 39 Tunnel und ein einziges Viadukt in Hornberg im mittleren Schwarzwald machten es möglich. Nur an eines hat der Eisenbahn-Pionier beim Bau zwischen 1863 und 1873 naturgemäß nicht gedacht – an die Netzplaner*innen der Deutschen Telekom. Sie müssen 150 Jahre später enormen technischen Aufwand betreiben, um die ebenso malerische wie komplizierte Trasse der Schwarzwaldbahn mit besserem Mobilfunk zu versorgen. Wie das dennoch gelingen kann, erklären Telekom-Funknetzplaner Mathias Felbecker und Projektleiter Tim Marcus.
Die Schwarzwaldbahn – ein Wunder der Technik
Aus heutiger Sicht lässt sich kaum begreifen, wie die Planer und Arbeiter im vorletzten Jahrhundert mit ihren begrenzten technischen Möglichkeiten ein solches Wunderwerk erschaffen konnten, das heute als Kulturdenkmal des Landes Baden-Württemberg geschützt ist. Durch kluge Planung schaffte es Ingenieur Gerwig beispielsweise, dass der Aufstieg von Hausach ins 565 Meter höher gelegene St. Georgen unter 20 Promille Steigung bleibt und keine Steilstrecke enthält. Das war bei den noch recht schwachen Lokomotiven des 19. Jahrhunderts von entscheidender Bedeutung. Dafür fädelte der Baumeister das Teilstück zwischen Hornberg und Sankt Georgen über Kehren und 36 Tunnel so klug durch die Landschaft, dass die Schwarzwaldbahn zwischen den beiden Orten, die nur 21 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt sind, 38 Kilometer zurücklegt. Wie sich die Strecke durch die Region im äußersten Südwesten Deutschlands schlängelt, lässt sich in der 400 Quadratmeter großen Schwarzwaldbahn-Modellanlage in Gutach erahnen. Eisenbahn-Fans jubeln, Funknetzplaner*innen bekommen Alpträume.
Smartphone, Tablet oder Laptop im Zug
Wer knapp zwei Stunden zwischen Offenburg und Singen unterwegs ist, oder auch nur auf einem Teil der Strecke – der möchte heutzutage im Zug Smartphone, Tablet oder Laptop benutzen, telefonieren und mit Top-Geschwindigkeit mobil surfen. Das klappt in der nach wie vor wichtigsten Bahnstrecke des Schwarzwalds mit ihren engen Tälern und Tunneln bisher nur sehr eingeschränkt. Nun machen O2 Telefónica, Vodafone und Deutsche Telekom gemeinsame Sache, um die Fahrgäste ins schnelle Internet zu bringen. Tim Marcus, Projektleiter Sonderversorgung Bahn bei der Telekom, erklärt, was aktuell passiert: „Wir als Telekom sind quasi im Lead und bauen ein sogenanntes optisches Repeatersystem entlang der gesamten Strecke, um alle Tunnel zu versorgen – aber auch das freie Feld.“ Für die freie Strecke außerhalb der Röhren sind die Tunnel-Spezialisten der Telekom normalerweise nicht zuständig. Aber weil die Geografie im Schwarzwald so kompliziert ist, entsteht eine komplette und geschlossene Mobilfunkversorgung auf dem Teilstück zwischen Hornberg und Sankt Georgen.
Empfang für 36 Tunnel
Wenn sich die Funknetzplaner*innen der Telekom eine möglichst große Herausforderung ausdenken müssten – dann käme in etwa die Schwarzwaldbahn heraus. Netzplaner Mathias Felbecker drückt das so aus: „Ich habe schon viele Sonderprojekte gemacht, die technisch auch anspruchsvoll waren. Aber hier bei der Bahn kommt irgendwie alles zusammen.“ Denn es geht zwischen den Tälern abwechselnd immer wieder rein in den Tunnel und raus aus dem Tunnel. Ins Stocken kommen oder sogar abreißen darf die Verbindung trotzdem nicht. Allein im rund 21 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Glasträgertunnel I bei Hornberg und dem Sommerau-Tunnel vor St. Georgen durchfährt die Bahn 36 Tunnel. Für diesen Teil der Strecke wird das optische Repeatersystem installiert, um durchgängig Mobilfunk im Zug zu gewährleisten. Das ist eine ungewöhnliche Lösung, die aber ideal auf die Gegebenheiten im Schwarzwald abgestimmt ist.
So funktioniert der Schwarzwald-Mobilfunk
Zur Versorgung der Trasse entsteht auf dem Bahnhofsgelände in Triberg, etwa in der Mitte des geplanten Abschnitts, in einem Container die Zentrale des optischen Repeatersystems. Sie bildet das Herzstück der Lösung. Netzplaner Mathias Felbecker erklärt das Prinzip: „Wir sprechen von einem Master-Remote-System. Da gibt es einmal die Master-Unit, und es gibt die Remote-Units, die per Glasfaser miteinander verbunden sind.“ Von Triberg aus, also von der „Master-Unit“ am Bahnhof, führen Glasfaserleitungen die gesamte Strecke entlang, am Rand der Gleise. Sie transportieren die Mobilfunkdaten der Fahrgäste nach Triberg. Von dort aus geht es weiter ins Telekom-Netz. Entlang der Trasse entstehen 50 Versorgungspunkte mit Antennen und Repeatern. Das sind die „Remote-Units“, die die Strecke innerhalb und außerhalb der Tunnels mit Mobilfunk abdecken. Dieses auf Glasfaser basierende System erlaubt es, selbst ein geografisch so komplexes Gebilde wie die Schwarzwaldbahn über eine weite Strecke bestens mit Mobilfunk zu versorgen.
Die Suche nach den optimalen Standorten
Die Telekom muss nun Standorte für ihre Versorgungspunkte entlang der Bahnstrecke finden, die technisch funktionieren, und für die sie auch Genehmigungen erhält. Für die Glasfasertrasse an den Gleisen gibt es zwar einige Schächte der Bahn – die aber nicht immer für weitere Leitungen nutzbar sind. Und entlang der Strecke stehen zwar Masten der Bahn, die sich teilweise für die Antennen und Repeater der Telekom nutzen lassen. Aber diese Standorte reichen für eine komplette Versorgung nicht aus und sind auch technisch nicht immer ideal geeignet. Die Telekom und ihre Partner haben also noch jede Menge Arbeit vor sich. Projektleiter Tim Marcus zeigt sich im Sommer 2022 trotzdem optimistisch: „Die Vorbereitungen für die Mobilfunkversorgung entlang der Schwarzwaldbahn laufen schon seit zwei Jahren. Und funken sollen die ersten Antennen Ende dieses Jahres.“ Ähnlich wie im 19. Jahrhundert bei den „bahnbrechenden“ Ideen von Ingenieur Robert Gerwig gilt also auch jetzt bei der Mobilfunkversorgung seiner Schwarzwaldbahn: Die Pläne sind erstklassig, aber die Umsetzung erfordert viel Arbeit, Schweiß und einiges an Geduld.
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