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Nicolas Hanisch

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Digitale Phänomene im Netz: Wenn Programmcodes für uns entscheiden

Laut einer Studie der Bertelsmanns-Stiftung über die Wahrnehmung von Algorithmen in Europa, wissen 48 Prozent der Bevölkerung nicht, was ein Algorithmus ist. Dabei sind sie unser engster Begleiter im Netz. Ein Algorithmus ist eine programmierte Reihe aufeinander folgender Anweisungen. Ein Navigationssystem beispielsweise berechnet auf Basis eines Algorithmus die kürzeste oder schnellste Route. 

Im Internet sortieren Algorithmen das, was wir sehen, für uns vor. Sie sind so programmiert, dass sie unser Verhalten im Netz analysieren und unsere Vorlieben erkennen. Das gilt nicht nur für Produkte, die wir gut finden, sondern auch für Beiträge, die unseren Ansichten entsprechen. Auch in den sozialen Medien bleibt das, was uns nicht gefällt oder uns nicht gefallen könnte, draußen. Es erscheint nicht in unserem Newsfeed. Bei Suchmaschinen werden solche Ergebnisse de-priorisiert und erscheinen erst weit hinten in der Ergebnisanzeige.  

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Wenn Programmcodes für uns entscheiden.

Auf den ersten Blick erscheinen Algorithmen als gute Hilfswerkzeuge, um für uns die Informationsfülle im Netz beherrschbarer zu machen. Wenn man sich aber besonders mit politischen oder gesellschaftsrelevanten Themen auseinandersetzen möchte, fehlen gerade solche gegenläufigen Perspektiven für die eigene Meinungsbildung. 

Vorschlagsalgorithmen beispielweise sind so programmiert, dass die Suchergebnisse immer extremer werden. Was auf YouTube mit einem Video zu einer aktuellen Regierungsentscheidung beginnt, steigert sich in den weiteren Empfehlungen und kann enden mit einem Video einer Gruppe, die unseren Staat nicht anerkennt und antidemokratische Propaganda verbreitet. 
Worüber wir uns meist nicht im Klaren sind: Programmcodes arbeiten im Hintergrund. Wir bemerken sie nicht und auch nicht, welchen Einfluss sie auf uns haben. Wir selbst füttern sie mit unseren Likes und dem, was wir uns am meisten anschauen. Und: Sie werden von Menschen programmiert. 

Algorithmen: die Basis für weitere Werkzeuge im Netz

Microtargeting: Ein beliebtes Instrument des Produktmarketings ist das sogenannte Microtargeting. Hierbei werden die Daten genutzt, die Algorithmen über uns gesammelt haben. Sie werden miteinander verglichen, um verschiedene Profile zu erstellen. Das Ziel: Internetnutzern auf Basis ihres Profils personalisierte Werbung zu unterbreiten und somit Verkaufszahlen zu erhöhen. Microtargeting wird aber längst nicht nur noch für Produktwerbung genutzt, sondern rückte bereits als Wahlkampfinstrument durch den Skandal um Cambridge Analytica und Facebook erstmals in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. 

Dark Posts & Dark Ads: Wenn Werbeanzeigen im Newsfeed der sozialen Medien angezeigt werden und nach kurzer Zeit wieder verschwinden, nennt man das Dark Ads. Passiert das gleiche mit Nachrichten, spricht man von Dark Posts. Beide eint, dass sie speziell auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten und auch nur diesen zugespielt werden. Die Basis dafür liefern Algorithmen. Die Initiatoren sind meist anonym. Dark Ads und Dark Posts werden häufig zur politischen Meinungsmache eingesetzt. Sie enthalten oft Fake News, also Falschinformationen, über politische Geschehnisse oder Personen. Durch die kurze, eingeschränkte Sichtbarkeit sind sie kaum überprüfbar oder nachverfolgbar. 

Bots: Roboter, die im Internet schreiben, nennt man Bots. Es handelt sich um Computerprogramme, die auf Basis von Algorithmen sich wiederholende Aufgaben erledigen können. Bots in den sozialen Medien nennt man Social Bots. Sie werden als realistisch wirkende Accounts einer Person mit Profilbild, Posts und Followern geschaffen, die auch anderen Nutzern folgen. Bei Twitter beispielweise lassen sich Social Bots einsetzen, die auf spezifische Hashtags reagieren und dann vorher programmierte Informationen absetzen. Liken, teilen oder kommentieren Social Bots Beiträge, erweckt es für Außenstehende den Eindruck, dass viele Menschen dem Inhalt große Aufmerksamkeit schenken. Sie werden häufig eingesetzt, um gezielt zur manipulieren und beispielsweise Diskurse in bestimmte Richtungen zu lenken. Auch wenn die genaue Anzahl unklar ist: Man geht davon aus, dass etwa jeder dritte Hass-Kommentar von einem Bot kommt. Bots zu identifizieren ist nicht leicht, aber es gibt Auffälligkeiten, die auf einen Bot schließen lassen: Wie aktiv ist das Profil? Wird nur weitergeleitet? Werden Rückfragen gar nicht oder nur ausweichend beantwortet?

Wir bestimmen selbst, wie der Algorithmus uns beeinflusst

In der digitalen Welt liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, kritisch mit den dort gesammelten Informationen umzugehen. Programmcodes arbeiten unsichtbar im Hintergrund. Doch wir können selbst bestimmen, welchen Raum wir ihnen geben. Denn: Der Algorithmus kann nur so gut arbeiten, wie wir es zulassen. 
Was jeder von uns tun kann:

  • Die eigenen Einstellungen in Browser und Suchmaschine wiederkehrend prüfen. Suchmaschine auch mal wechseln.
  • Cache-Speicher und Cookies regelmäßig löschen.
  • Persönliche Einstellungen in den sozialen Netzwerken prüfen - auch nach Updates. 
  • Auf Medienvielfalt setzen: Unterschiedliche Quellen nutzen und auf Seriosität achten.

Wer sich mit den digitalen Phänomenen auseinandersetzt und sich ihrer Funktionsweise bewusst ist, kann die Vorteile der digitalen Welt - gerade in Bezug auf Meinungsbildung - besser nutzen. Unsere Demokratie braucht – nicht nur in Krisenzeiten oder vor Wahlen - Offenheit, unterschiedliche Perspektiven und einen konstruktiven Dialog auf Augenhöhe. Dafür sind wir alle gefordert!

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