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Hubertus Kischkewitz

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Tunnel-Blick: So soll das Handy in der Schwarzwaldbahn funktionieren

Happy Birthday, Schwarzwaldbahn! Bei ihr gilt 2023: 150 Jahre, 150 Kilometer. Seit 1873 ist die legendäre Strecke auf ihrer gesamten Länge in Betrieb. Damals dampften die ersten Züge zwischen Offenburg und Singen über 650 Höhenmeter durch den malerischen Schwarzwald. An der Streckenführung von Bauingenieur Robert Gerwig hat sich seitdem wenig geändert – an der Technik dagegen schon. So hat es hat sich längst ausgedampft auf der Schwarzwaldbahn. Und für die 39 Tunnel soll ein Service her, den sich die Erbauer im 19. Jahrhundert nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten. Hier sollen die Fahrgäste möglichst bald überall unterbrechungsfrei surfen und telefonieren. Wir verraten, wie das funktionieren wird. 

39 Tunnel durchquert die Schwarzwaldbahn

39 Tunnel durchquert die Schwarzwaldbahn

Das Projekt Schwarzwaldbahn

Ohne die vielen Tunnel hätte sich die spektakuläre Streckenführung der Gebirgsbahn niemals realisieren lassen. Ingenieur Gerwig und seine Mitarbeiter standen quasi vor vielen bohrenden Fragen. Allein auf den 22 Kilometern zwischen Hornberg auf 384 Metern Höhe und Sankt Georgen auf 806 Metern durchfahren die Züge 36 Tunnel. Damit es hier auf Smartphones, Tablets und Laptops nicht finster wird, wird die Deutsche Telekom federführend auch für Vodafone und Telefonica ein sogenanntes optisches Repeatersystem mit einer Master-Unit und 51 Remote-Units installieren. Insgesamt werden in den Tunneln und auf den Streckenabschnitten zwischen den Röhren acht Funkzellen die Fahrgäste mit schnellem und stabilem Internet versorgen.

Das Herz des Tunnel-Mobilfunks 

Die US-Firma Commscope, die mit mehreren Standorten in Deutschland präsent ist, ist der Partner der Telekom für die Mobilfunkversorgung der Schwarzwaldbahn. In Buchdorf im bayerisch-schwäbischen Landkreis Donau-Ries befindet sich der Entwicklungs- und Fertigungsstandort von Commscope für Repeater-Technologie, wie sie die Deutsche Telekom einsetzt. Das Herzstück ist dabei die Master-Unit, also quasi die „Kommandozentrale“ des Systems, die die Signale der verschiedenen Netzbetreiber kombiniert. In den Tunnels der Schwarzwaldbahn wird die Telekom die Frequenzen 800, 900, 1.800 und 2.100 MHz anbieten. „Sie sind ideal für die Tunnelversorgung – einmal von der Durchdringung her, und von der Reichweite“, erklärt Hubert Stark. Er ist Account Manager für RF Applications bei Commscope. „Diese Signale werden in der Master-Unit zusammengefasst, digitalisiert und über eine Glasfaser übertragen.“ Per Glasfaser lassen sich sehr weite Strecken praktisch verlustfrei überwinden. Eine Remote-Unit, also quasi der Außenposten des Systems, kann so auch mal 20 Kilometer von der Master-Unit entfernt sein. 

Hubert Stark von Commscope

Hubert Stark ist Account Manager für RF Applications bei Commscope

Era, wem Era gebührt 

Jeder Tunnel wird, wenn nötig, mit einer oder mehreren Remote-Units bestückt – je nach Tunnel im Abstand von 500 bis 1.000 Meter. Und jede dieser Einheiten erhält zwei Antennen, für beide Fahrtrichtungen der Züge. „Von dort aus wird das Signal mit Antennen abgestrahlt, und so wird man im Tunnel telefonieren können“, erklärt Hubert Stark – oder unterbrechungsfrei das Internet nutzen. Die einzelnen Komponenten, so der Netzwerkexperte, werden dabei exakt so konfiguriert, wie sie vor Ort benötigt werden: „Wir bauen die dann entsprechend der Kundenwünsche zusammen.“ Ihr System für die digitale Funkversorgung nennen die Amerikaner „Era“. Dieses Kunstwort hat keine nähere Bedeutung. Aber die Technik prägt quasi die Ära des mobilen Internets in Gebäuden – zu denen auch Tunnel zählen. Motto: Era, wem Era gebührt. 

Das steckt in der „Kommandozentrale“ 

Manfred Bauer ist Produktspezialist für Era bei Commscope. Er zeigt, bewaffnet mit einem Schraubenzieher, was alles in so einer Master-Unit steckt. Das System, das für den Laien aussieht wie ein klassischer Serverschrank, enthält hochkomplizierte Netzwerktechnik. Manfred Bauer jongliert mit Fachbegriffen wie BTS (hier handelt es sich um keine südkoreanische Boygroup, sondern um eine Base Transceiver Station), RFD-Karte (Radio Frequency Donor Card), WCS-Shells (Wireless Communications Switch), Measurement Receiver (Mess-Empfänger) und CAP-H (Carrier Access Point, High Power). Am CAP-H passiert der entscheidende Trick: „Ich digitalisiere das Signal und wandle es dann in ein optisches Signal um, um es mit Glasfaser verlustfrei über lange Distanzen zur Masterunit zu übertragen.“ Ebenso wird in die andere Richtung am Ende des Prozesses das optische Signal dann wieder in ein Funksignal umgewandelt und auf die Antenne geschickt. So klappt mobiles Internet auch im Tunnel mit seinen meterdicken Wänden. 

Detailansicht RFD-Karte

RFD-Karte (Radio Frequency Donor Card)

Der „Kaugummiautomat“ macht’s möglich 

Wer in den heiligen Hallen von Commscope in Buchdorf weitere Details erfahren will, muss seine Schuhe erden, um sich nicht elektrisch aufzuladen – und einen weißen Kittel im Stil von Schwarzwaldklinik-Professor Brinkmann überziehen. Hier zeigt Produktingenieur Josef Nagel sehr anschaulich, wie die 51 Remote-Units funktionieren, die die Menschen in den Tunnels der Schwarzwaldbahn mit der Außenwelt verbinden werden. Die Einheiten sehen aus wie größere, weiße Kaugummiautomaten im Hochformat – nur ohne Geldschlitz zum Einwerfen. Experte Nagel schraubt die Lüfterabdeckung und die äußere Hülle ab. Denn so ein Outdoor-Gerät muss auch wasserdicht sein. Dann kann die Autopsie der einzelnen Teile beginnen: „Sodalla, jetzt sehen wir den Kameraden von innen. Hier haben wir den Freund, der Kumpel bringt knapp 20 Kilo auf die Waage.“ 

Die Remote-Unit im Detail 

Josef Nagel stellt den Kasten in einem speziellen Ständer auf und zeigt die Einzelteile. Oben befindet sich die Kühlereinheit mit zwei aktiven Lüftern, darunter das Netzteil mit über 1.000 Watt sowie die Signalverstärker für die vier Frequenzbänder. Clever gemacht: Über Heatpipes, also über Röhrchen, die nach oben führen, sorgt der Kühler dafür, dass das Netzteil und der Verstärker nicht ins Schwitzen geraten. Darunter liegen die digitale und analoge Signalverarbeitung als Herzstück des Systems sowie eine Filtereinheit für die Signale. Ihre Aufgabe erklärt Ingenieur Nagel überaus plastisch: „Der Filter begrenzt unsere Bänder, damit wir auch im Störfall außerhalb unserer erlaubten Frequenzen nicht irgendein Mistsignal ausstrahlen.“ Die Fahrgäste der Schwarzwaldbahn müssen sich über „Mistsignale“ also keine Sorgen machen. Und sie sollen und wollen von der aufwändigen Technik auch gar nichts mitbekommen – außer der Tatsache, dass sie damit das Surfen und Telefonieren auch im Tunnel in vollen Zügen genießen können.

Tiefere Einblicke in das Projekt gibt es hier: 

Intime Einblicke: Wir ziehen einen Repeater aus


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Hubertus Kischkewitz

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