Telefonzelle: Was kommt nach dem Ende der kleinen Häuschen?
Vom Mobilfunk verdrängt: Das Telefonhäuschen verschwindet aus dem öffentlichen Raum. Doch längst haben Fans kreative und alternative Nutzungen erschlossen.
In diesem Artikel:
- Warum Telefonzellen verschwinden
- Geschichte der Telefonhäuschen
- Zweitleben der Zellen
- Grafik „Geschichte der Telefonzelle“
Das Telefonhäuschen an der Kreuzung, es stand hier für Jahrzehnte. In nur ein paar Stunden ist es abgebaut. Monteure hieven es auf einen großen Transporter und weg ist es. Ein Passant guckt wehmütig zu. Wo es wohl hinkommt?
Die einen spielten in ihm unentwegt Telefonstreiche. Die anderen erlebten dort ein intimes Telefonat, das sie zu Hause nicht führen wollten. Heute fühlt es sich nostalgisch an, wenn man eine Telefonzelle betritt, den inzwischen viel zu groß wirkenden Hörer in die Hand nimmt und auf den metallenen Tasten eine Nummer wählt.
Das Smartphone macht Telefonzellen überflüssig
Im Zeitalter von Smartphones und Internet ist die Verbindung in die Welt jederzeit und überall selbstverständlich. Seit etwa 2007 ist das Handy ein Massenprodukt. Heute kommen nach Erhebungen der Bundesnetzagentur statistisch gesehen auf jeden Einwohner ca. 1,8 SIM-Karten für die Nutzung von Mobilfunkanwendungen. Der Mobilfunkausbau und der Telefonzellenabbau, sie gehen Hand in Hand. Die gute alte Telefonzelle wird zum Ort der Erinnerung.
Streng genommen heißt es übrigens sowieso eher Telefonhäuschen oder noch genauer „Fernsprechhäuschen“. Denn „Telefonzellen“ bezeichnen eigentlich nur die festgemauerten Zellen, die es in Hotels oder Postämtern gab.
Knapp 14.000 Telefonhäuschen der Telekom sind derzeit noch in Betrieb, die meisten an Flughäfen oder Bahnhöfen. Doch sind die Häuschen auch noch so nostalgisch besetzt, es gibt eine Grenze der Wirtschaftlichkeit bei deren Betrieb: „Wenn diese erreicht ist, informieren wir die Gemeinde darüber, dass wir die unrentablen Standorte entfernen“, sagt Katja Werz von der Telekom. Denn wenn der monatliche Umsatz über einen längeren Zeitraum in keinem Verhältnis mehr zu den Unterhaltskosten steht, dann bringt sie nur noch Verluste: Betriebskosten, Standmiete und Reinigung müssen ja laufend weitergezahlt werden.
Manche Gemeinden trennen sich nur schwer von den Telefonhäuschen, doch in den allermeisten Fällen werden sie einvernehmlich entfernt. Aber war da nicht was? Hat die Deutsche Telekom nicht die Pflicht, Zugang zu öffentlich zugänglichen Telefondiensten zu gewährleisten? Das hat sich mit dem Inkrafttreten der TKG-Novelle (Telekommunikationsgesetz) zum 01.12.2021 geändert. Die Telekom unterliegt nicht mehr einem Grundversorgungsauftrag, öffentliche Telefone bereitzustellen. „Denn wenn die öffentlichen Telefone nicht mehr genutzt werden, tragen sie auch nicht zu einer Grundversorgung bei“, sagt Katja Werz.
Dennoch stellt die Telekom auch weiterhin eine bedarfsgerechte Versorgung mit öffentlichen Telefonstellen sicher, vor allem dort, wo es wirtschaftlich Sinn macht: z. B. an Bahnhöfen, Flughäfen oder auf Messegeländen. An einigen Standorten werden Telefonhäuschen durch Basistelefone ersetzt. Das sind einfache Telefonanschlüsse an einer Stele, ohne Häuschen, die nur noch mit Telefonkarten oder Kreditkarten funktionieren – das bargeldlose Bezahlen soll vor Vandalismus schützen.
Moderne Telefonzellen und -stelen sind aber mehr, als der Betrachter auf den ersten Blick sieht, denn viele sind mittlerweile zum WLAN-Hotspot ausgebaut.
Die Geschichte der Telefonhäuschen
Wie schnell sich Kommunikation ändert, lässt sich am Telefonhäuschen illustrieren. Ihre Blütezeit in den Neunzigern ist gerade mal 30 Jahre her. Mehr als 160.000 Telefonstandorte befanden sich laut Deutschem Städtetag im öffentlichen Raum. Die Glaswände des Häuschens waren wichtig: Denn die Leute legten viel mehr Wert darauf, dass ihre Gespräche in der Öffentlichkeit niemand mithören kann. Heute ist das den meisten Leuten egal: Ob im dicht gedrängten Bus oder in der Warteschlange – inzwischen wird überall laut telefoniert.
Die allererste Telefonzelle, der sogenannte Fernsprechkiosk, wurde 1881 in Berlin aufgestellt. 1899 kam der Münzfernsprecher auf, Telefonzellen für geschlossene Räume. Eine Kulturhistorikerin würdigte sie als ein „radikaldemokratisches Medium“. Denn es konnten zum ersten Mal auch Menschen telefonieren, die sich keinen eigenen Festnetzanschluss leisten konnten. Ab den Zwanzigern gehörten sie zu jeder Stadt dazu. An einen Hinweis aus den Siebzigern erinnern sich viele Leute gerne: „Fasse Dich kurz!“ stand neben den Automaten, weil sich Ortsgespräche dank eines Festpreises unendlich ausdehnen ließen.
Unten in der Grafik kann man übrigens die bebilderte Geschichte der Telefonhäuschen sehen. Und die letzte Reise des letzten Gelben Telefonhäuschens wird hier erzählt.
Das spannende Zweitleben der Telekom-Telefonhäuschen
Viele Menschen haben sich in diese Box verliebt und erfanden neue Funktionen für sie. Beispiele gefällig? Ein Fan hat sich einen Duschkopf in das Telefonhäuschen montiert und sie zur Gartendusche umfunktioniert. Ein Altersheim hat sich ein Telefonhäuschen in sein Foyer gestellt, weil besonders alte Leute nach wie vor kein Handy haben oder damit nicht umgehen können. Musiker berichten, dass die Häuschen dank Schallschutz ein ideales Mini-Tonstudio hergeben. Eine Bibliothek verwendet ein Telefonhäuschen als Bücherschrank im Freien, der 24 Stunden geöffnet hat. Gäste eines Hotels können in einer Telefonhäuschenbücherei ausgiebig schmökern.
Auch Künstler haben die Häuschen für ihre Aktionen vereinnahmt. 2010 stellten drei Studierende auf der Nibelungenbrücke in Linz ein Telefonhäuschen auf – mit politischer Botschaft. Es läutete unaufhörlich und lockte Passanten ins Häuschen. Wer den Hörer abnahm, hörte Berichte rassistischer Zwischenfälle aus verschiedenen Städten Österreichs. Ein anderer Künstler hat ein Telefonhäuschen über Nacht zu einem Minigarten umgestaltet: Auf dem Boden hat er Moos ausgelegt, darauf Klappstuhl und Gießkanne bereitgestellt, eine Kunstlandschaft ziert die Rückwand.
Die ganze Geschichte der Telefonzellen in einer Grafik
Hier ging das letzte gelbe Telefonhäuschen – ein Abschied mit Stil
Die letzte gelbe Telefonzelle Deutschlands musste ihren Platz räumen. Doch die Abreise des Telefonhäuschens konnte kaum schöner sein.