Hier ging das letzte gelbe Telefonhäuschen – ein Abschied mit Stil
Die letzte gelbe Telefonzelle Deutschlands musste ihren Platz räumen. Doch die Abreise des Telefonhäuschens konnte kaum schöner sein.
Am südwestlichen Ufer des bayrischen Königssees liegt auf einer Halbinsel der Wallfahrtsort St. Bartholomä. Tagestouristen nehmen oft den Weg mit der Fähre dorthin - wegen der wunderbaren Kulisse. Am Ufer befindet sich die Fischerei St. Bartholomä und dort im Bootshaus stand das letzte gelbe Telefonhäuschen Deutschlands.
Warum es dann weichen musste und wie seine letzte Fahrt über den idyllischen Könisgssee verlief, ist hier eine Geschichte wert.
Wie die gelben Telefonhäuschen abgebaut werden
Josef Linner, Referent der Telekom Deutschland, verantwortete den Abbau der öffentlichen Telefonhäuschen in Bayern. Allein 2018 hat er etwa 300 Telefonzellen demontieren lassen. Und nun eben auch das letzte gelbe Telefonhäuschen in St. Bartholomä.
An jenem Morgen waren drei Mitarbeiter in St. Bartholomä, um die Telefonzelle zu beseitigen - sie vom Strom und Kommunikationsnetz zu nehmen und aus der Hausfassade zu lösen. Der Abbau und Abtransport des Häuschens war aber nur der letzte Schritt in einem längeren Prozess. "Am Tag X, wenn wir mit der Demontage beginnen, dauert es nur etwa drei Stunden", erzählte Josef Linner, aber "im Vorfeld muss mit der Kommune abgeklärt werden, dass wir es abbauen dürfen. Es muss der Auftrag gestellt werden. Das Ganze dauert etwa acht bis zehn Wochen".
Das Besondere an dieser Demontage: Die grandiose Bergkulisse, die aber auch mit Tücken daherkommt. Zwar wurde die Telefonzelle wie üblich nach der Demontage auf die Ladefläche eines LKWs gehoben, doch für den ging es samt Fracht zunächst auf eine Fähre. Denn St. Bartholomä ist ausschließlich auf dem Wasserweg zu erreichen. So bekam die gelbe Telefonzelle zum Abschied also eine sonnige Fahrt über den klaren Königssee nach Schönau spendiert.
Warum die alten Telefonzellen so beliebt sind
Früher gehörten die gelben Telefonhäuschen zum Stadtbild. Nahezu jeder Mensch über 30 Jahre kennt noch heute eine eigene Geschichte dazu: "Ich habe das letzte Mal Ende der 90er in der gelben Telefonzelle telefoniert", erinnerte sich beispielsweise Markus Jodl, Unternehmenssprecher der Deutschen Telekom, bei der Überfahrt über den Königssee. "Damals bin ich beruflich umgezogen, meine Frau ist noch in München gewesen und weil ich nicht sofort ein Festnetztelefon bekommen habe, musste ich abends immer runtergehen - in eine gelbe Telefonzelle".
Das gelbe Telefonhäuschen war also wichtiger Bestandteil der damaligen Kommunikationslandschaft. "Zu den besten Zeiten hatten wir über 100.000 öffentliche Telefone in Deutschland, davon waren circa 50.000 von der Art, wie wir sie heute abgebaut haben", resümiert Günter Nerlinger, Projektleiter bei der Deutschen Telekom.
Die Häuschen in Signalfarbe lösen bei vielen Menschen nostalgische Gefühle aus. Die Erinnerung an die "alten Zeiten".
Vom Fernsprecher zur Funkzelle
Die "alten Zeiten" des öffentlichen Telefonhäuschens begannen bereits am 12. Januar 1881. Damals wurde ein "Fernsprechkiosk" in Berlin in Betrieb genommen. Zum Telefonieren musste man sich ein Billet kaufen, sozusagen der Vorläufer der heutigen Telefonkarte. Erst ab 1899 gab es Münzfernsprecher. Die Telefonzellen befanden sich damals immer in geschlossenen Gebäuden wie Postämtern, Hotel-Lobbys oder Gaststätten.
Ab den 1920er Jahren gehörten die Telefonhäuschen mit Münzfernsprechern zum vertrauten Bild in deutschen Städten. Ab 1932 war die Gestaltung normiert, aber erst ab 1946 waren die Telefonzellen alle gelb.
"Die ersten gelben Kunststoffhäuschen wurden 1978 aufgestellt", weiß Günter Nerlinger, "der Name leitet sich vom Einführungsjahr ab, es heißt TelH78". 50 Jahre später, etwa ab Mitte der 1990er-Jahre wurden die Telefonzellen nach und nach in den Telekomfarben weiß-grau-magenta gestaltet.
Bis zum 1. Oktober 1984 kostete eine Gesprächseinheit in der Bundesrepublik Deutschland 20 Pfenning, danach mit Ausnahme der ersten Einheit 30 Pfennig.
Interessant ist, dass die Fernsprecher für die Deutsche Bundespost damals schon unrentabel waren, also die Betriebskosten die Einnahmen überstiegen. Und genau darin liegt der Rückbau vieler Telefonzellen begründet.
Warum viele Häuschen gehen müssen
Die letzte gelbe Telefonzelle musste aus finanziellen Gründen weichen. "Wir entschließen uns, das Telefonhäuschen vom Netz zu nehmen, wenn der Umsatz pro Monat dauerhaft unter 50 Euro absinkt, weil die Kosten natürlich wesentlich höher sind", verdeutlichte Günter Nerlinger vor Ort.
Solche Ausgaben entstehen vor allem durch die regelmäßige Wartung des Häuschens. "Da sind natürlich erst einmal die Kosten für den Stromanschluss. Es hat einen Telefonanschluss, es muss gereinigt werden und wenn ein Schaden entsteht, muss der beseitigt werden." Durch ein paar Gespräche im Monat ist keine Kostendeckung zu erreichen.
Letzte Reise der gelben Telefonzelle
So musste also auch dieses letzte gelbe Häuschen weichen. Die Fähre brachte es nach Schönau am Königssee und von dort aus ging es zur Endstation. "Dort gibt es einen definierten Prozess, um die Kunstofftelefonzelle zu entsorgen", erklärt Günter Nerlinger.
Und St. Bartholomä? Der Touristen-Magnet ist dank einer Funkzelle längst auf neuestem technischen Stand. "Die Antennen sind sehr dezent angebracht, weil wir uns hier im Naturschutzgebiet befinden", so Günter Nerlinger.
Dennoch schwang Wehmut mit, als bei der Überfahrt unter strahlendem Wetter der Trompeter auf dem Königssee symbolisch den Zapfenstreich blies - für die letzte ihrer Art. Für die letzte gelbe Telefonzelle Deutschlands. Mehr zur Geschichte der Telefonhäuschen und vor allem zu den Möglichkeiten ihres Zweitlebens steht in diesem Blogbeitrag.
Weitere Bilder und Stimmen von der letzten Fahrt des Telefonhäuschens
Jetzt den Weg der letzten Telefonzelle auch in unserem neuen Podcast verfolgen.
Telefonzelle: Was kommt nach dem Ende der kleinen Häuschen?
Telestation mit Wetterschutz (Foto: Norbert Ittermann, Telefonsäulen)
Vom Mobilfunk verdrängt: Das Telefonhäuschen verschwindet aus dem öffentlichen Raum. Doch längst haben Fans kreative und alternative Nutzungen erschlossen.