Telekom-Verteiler helfen bei Luftqualitäts-Messungen in Darmstadt
Sie stehen fast überall und sind bestens vernetzt: Multifunktionsgehäuse der Telekom. In Darmstadt werden 18 davon jetzt zu Messstationen für Luftqualität.
Darmstadt und dicke Luft? Lieber nicht, sagten sich die Südhessen. Darum läuft hier aktuell ein besonderes Projekt, das in Zukunft für bessere Luft sorgen könnte. Und darum wurden 18 Luftgüte-Messsysteme an Multifunktionsgehäusen (MFG) der Telekom angebracht. MFG sind die grauen Straßenverteiler. Diese sorgen sonst für Internet und Telefon in den Haushalten.
Die Messwerte können Städte und Gemeinden nutzen, um Maßnahmen für ein besseres Stadtklima zu treffen.
Messungen der Luftgüte: Darum geht es
Darmstadt ist seit Juni 2017 eine ausgezeichnete "Digitale Stadt". Sie hat den gleichnamigen Wettbewerb des IT-Branchenverbandes Bitkom und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) gewonnen. Darmstadt ist nun auf dem Weg zur Smart City.
Da passt es ganz gut, dass die Großstadt nun auch der Platz für ein digitales Projekt zur Luftgütemessung der Telekom ist. Ende des vergangenen Jahres hat die Telekom in Darmstadt flächendeckend über dasStadtgebiet und Umland 18 Messgeräte an den MFG angebracht. Die Sensoren testen die Luft auf bestimmte Gase und Partikel. Computer in einem Rechencenter errechnen mit den eingehenden Daten die Messwerte.
"Damit möchten wir Darmstadt dabei helfen, ihre Luftreinhaltepläne zu überprüfen. Die Stadt kann testen, ob bestimmte Maßnahmen auch wirksam sind", sagt Holger Ebling, Projektleiter T-Systems und Verantwortlicher für die Umsetzung.
Das Fraunhofer Zentrum für Drahtlose Sensorik in Coburg begleitet das Projekt wissenschaftlich. Das Zentrum unterstützt die Deutsche Telekom dabei, dem Messsystem zu einem erfolgreichen Start auf den Markt zu verhelfen. Das Anwendungszentrum hat auch den Prototypen hergestellt, der nun in zweiter Generation in einem Feldtest getestet wird. Der Test in Darmstadt läuft über etwa ein Jahr.
Montage: Schnelles Umrüsten von herkömmlichen Straßenverteilern
Um den Feldtest starten zu können, wurden an ausgewählten MFG seitlich Gehäusesäulen montiert. In jeder Säule werden drei Komponenten untergebracht: Im von Fraunhofer entwickelten Gateway ist die sensible Messtechnik eingebaut. Ein Konverter sorgt für die notwendige Spannung und liefert dem Gateway Strom. Über einen LTE-Stick werden die Messdaten letztendlich in die Cloud der Telekom transportiert.
Das Umrüsten der MFG vor Ort dauert nicht lange, an lediglich zwei Tagen konnten alle 18 montiert werden. Dabei war es wichtig, die Gateways auf einer Höhe von 1,60 Meter anzubringen. So schreibt es die Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchG) vor.
Ablauf: Das wird gemessen und in das Datencenter übermittelt
In jedem Gateway stecken drei verschiedene Sensoren, die die Gasmessungen vornehmen. Die Luft wird dabei auf NO2, Ozon und NO untersucht. Dazu wird die Luft angesaugt, im Gerät trifft sie dann auf die Sensorik. Die Reaktion des Sensors sorgt für die Übertragung von speziellen elektrischen Größen. Diese Kalibrierwerte werden in ein Rechencenter gesendet, wo daraus die jeweiligen Schadstoffwerte berechnet werden. Außerdem werden Partikel von Feinstaub in einem optosensorischen Verfahren mittels Laser gemessen.
Im Datencenter sind alle Werte vorhanden. Die Städte und Gemeinden können diese jederzeit abrufen. Die Rohdaten können zum individuellen Weiterarbeiten verwendet werden. Sie können die Sensordaten aber auch als Tool nutzen: "Über ein Dashboard haben die Städte auch die Möglichkeit, sich die einzelnen Verläufe der Messwerte anzuschauen. Und zwar für jeden einzelnen Sensor historisiert, mit Mittelwerten und Tendenzen", erklärt Ebling.
Vorteile: Darum eignen sich die Verteiler für Messungen
Mit dieser neuen Messtechnik bietet die Telekom eine kostengünstige Messung der Luftqualität unter einem sehr hohen Messstandard an, der durch die angestrebte Zertifizierung rechtssicher ist. Das ist für Städte und Gemeinden sehr wichtig.
Aber das ist nur ein Vorteil der Systeme der Deutschen Telekom. Bisher wurden in Darmstadt wie in vielen anderen deutschen Städten Messcontainer eingesetzt. Die sind laut Ebling nicht nur teuer, sondern sie nehmen auch viel Platz weg. Es hilft dem Stadtbild und ist kostengünstig, die bestehenden Straßenverteiler zu nutzen. In jeder Gemeinde und jeder Stadt gibt es ausreichend von diesen MFG, die schnell aufgerüstet werden könnten.
"Die Stadt Darmstadt hatte bisher zwei öffentliche Messsysteme auf der gesamten Stadtfläche", so Ebling, "Mit den daraus zur Verfügung stehenden Messwerten muss sie ableiten, wie die Luftqualität in der ganzen Stadt ist." Das führt direkt zu einem der größten Vorteile des Messsystems der Telekom. Durch die flächendeckende Verteilung der Messgeräte entsteht ein Netz aus Messwerten. So kann die Luftqualität sehr viel differenzierter analysiert werden, als mit den bisherigen zwei Messgeräten.
Die Luftgüte wird an Hotspots mit viel Verkehr gemessen, aber auch in ruhigen Seitenstraßen vorgenommen. So können Umwandlungen erkannt werden, in denen beispielsweise aus NO2 Ozon wird. Damit ist es zukünftig möglich Prognosen zu erstellen, die aussagen, wie Schadstoffe sich entwickeln.
"Eine NO2-Konzentration in der Stadt kann sich unter bestimmten Luftbedingungen in Ozon niederschlagen", erklärt Ebling, "das geht dann in den hinteren Gebieten in Windrichtung wieder herunter und belastet so dort die Luftqualität." Können Städte und Gemeinde solche Entwicklungen prognostizieren, fällt die Planung von verkehrslenkenden Maßnahmen mit ausreichend Vorlaufzeit leichter.
Projektstart: Wann die Messstationen mit den Messungen beginnen
"Das Kniffligste ist die Ermittlung der NO2-Werte", erzählt Ebling. Die Messungen müssen authentisch sein und dürfen nicht nicht verfälscht werden. Die notwendige Abschirmung ist nicht einfach. Und auch die Feinstaubmessung mit optischen Systemen ist je nach Wetterlage eine Herausforderung.
Bis es das Messystem zur Serienreife geschafft hat, vergeht noch etwas Zeit. Seit Januar 2019 läuft die Zertifizierungsphase. Die Telekom führt mit dem TÜV Süd Vergleichsmessungen im Labor durch. In einem zweiten Schritt kommen dann Vergleiche mit öffentlichen Luftgütemessstationen. So soll nachgewiesen werden, dass die Luftmessungen auch in einer realen Umgebung den hohen Anforderungen genügen. Bis dahin gibt es noch einiges zu tüfteln.