Tiefen-Wirkung: Amtsschimmel verhindert Glasfaser auf Usedom
Ein Mobilfunkmast, der nicht funkt, hat seine Aufgabe verfehlt. Ein solcher quasi „arbeitsloser“ Mast steht seit über einem Jahr am Rand der Gemeinde Stolpe auf der Insel Usedom in Mecklenburg-Vorpommern, sehr zum Verdruss des örtlichen Bürgermeisters und seiner Bürger:innen.
Für die anhaltende Funkstille sorgt der Amtsschimmel, der lautstark wiehert – weil ihm hier, hoch im deutschen Norden, Glasfaserkabel nicht tief genug verlegt werden. Wir erklären die Tiefen und Untiefen dieses Falls.
Die Telekom soll tief in die Tasche greifen
Rund 350 Einwohner und – sofern nicht Corona ist – jede Menge Feriengäste im idyllisch gelegenen Stolpe am Südufer Usedoms warten seit Jahren auf eine zeitgemäße und schnelle Mobilfunkanbindung. Im Herbst 2017 erhielt die Deutsche Telekom dann den Auftrag, für flottes Internetsurfen zu sorgen. Und Anfang 2020 stand endlich der 40 Meter hohe Mast, der schnelles LTE und später auch 5G nach Stolpe bringen sollte.
Eingeschaltet ist er bis heute nicht. Denn jeder Mobilfunkmast braucht eine Anbindung, die die Daten dann auch ins schnelle Glasfasernetz der Telekom abtransportiert. Diese Signalzuführung erfolgt am besten per Glasfaserkabel, das die Telekom – in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen – üblicherweise in 60 Zentimetern Tiefe verlegt.
Im Fall Stolpe verlangt der Landkreis Vorpommern-Greifswald allerdings eine Verlegung in einem Meter Tiefe. Für die Telekom, die hier keinen Präzedenzfall schaffen will und kann, würde das eine längere Bauzeit und deutlich mehr Kosten bedeuten. Denn, alte Tiefbau-Weisheit: Je tiefer gebuddelt wird, desto höher der Preis. Weil der Landkreis mit der Standardtiefe 60 Zentimeter keine Baugenehmigung erteilt, stehen die Arbeiten seit Monaten still.
Der Bürgermeister ist tief verärgert
Stolpes Bürgermeister Falko Beitz (SPD) hadert schwer mit der Blockadehaltung des Landkreises: „Es ist ganz klar eine Benachteiligung. Wir haben dieses Projekt mit der Deutschen Telekom im September 2017 gestartet. Anfang 2020 ist dieser Mast errichtet worden, und er funktioniert bis heute nicht.“
Die Folgen für seine Bürger:innen sind gerade während Corona besonders bitter: „Das heißt, ein Sommer lang kein Empfang, ein Winter lang kein Empfang, und in der größten Pandemie kein Empfang. Was das bedeutet, wenn wir über das Thema Homeschooling und Homeoffice reden, brauche ich nicht weiter auszuführen.“
Die Konsequenz des Buddel-Streits ist damit laut Bürgermeister: „Die Menschen sollen zuhause bleiben, können mit den Leuten aber nicht kommunizieren, oder nur äußerst schwer.“
Das Gericht muss sich tief in den Fall einarbeiten
Das Telekommunikationsgesetz, Paragraph 68 Artikel 2, sieht die Telekom ganz klar im Recht. Deshalb klagt sie vor dem Verwaltungsgericht Greifswald gegen die Verweigerung der Baugenehmigung.
Alexander Vogler, Technikleiter der Niederlassung Ost der Deutschen Telekom, erklärt den Sachstand: „In Deutschland ist in der Regel ja sehr viel geregelt. Auch in diesem Fall. Es gibt eine ATB-Straßenbau.“ Das sind Allgemeine Technische Bestimmungen, wie Straßen in Deutschland gebaut werden. „In dieser Richtlinie ist auch geregelt“, so Techniker Vogler, „wo Versorgungsträger liegen, zum Beispiel die Telekom oder Stromversorger. Da ist relativ klar geregelt: Wenn ich zwei Meter von einer Straße weg bin, dass ich dann in einer normalen Tiefenlage von 60 Zentimetern wie üblich meine Kabel verlege.“
Um den Breitbandausbau zu beschleunigen und günstiger zu machen, sieht der Gesetzgeber neuerdings sogar Mindertiefen von 30 und 40 Zentimetern vor. „Der Gesetzgeber geht also genau den anderen Weg wie der Landkreis“, wundert sich Alexander Vogler von der Telekom. Im Fall Stolpe, so der Techniker, „fordert der Landkreis überall einen Meter. Jetzt gäbe es die Möglichkeit, immer dem Landkreis nachzukommen und in einem Meter Tiefe zu bauen. Das würde aber am Ende einfach die Telekom Geld kosten“.
Die Bürger können erstmal tief durchatmen
Um trotzdem einen schnellen Mobilfunkanschluss zu ermöglichen, bindet die Telekom den „Nichtfunkmast“ von Stolpe im anstehenden Frühjahr 2021 zunächst einmal per Richtfunk an ihr Netz an. Die Gegenstelle steht auf dem Festland in Mönkebude, rund 14 Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Stettiner Haffs.
Techniker Alexander Vogler erklärt die Vor- und Nachteile: „Wir können das Ganze relativ schnell herstellen, das heißt, die Bürger haben dann zügig eine Lösung. Man muss aber auch wissen, dass der Richtfunk eine Übergangslösung ist, denn er erreicht bei der Bandbreite irgendwann seine Grenzen.“
Bürgermeister Falko Beitz ist zunächst einmal zufrieden, dass die Menschen in Stolpe demnächst mit ihren Smartphones in zeitgemäßem Tempo ins mobile Netz kommen: „Ich finde es ein starkes Signal, das ich vor einigen Wochen bei der Telekom auch eingefordert habe. Und ich finde es gut, dass sie darauf eingegangen ist.“ Aber auch er weiß, dass der Richtfunk keine Dauerlösung ist: „Das kann natürlich nur ein Provisorium sein, bis dieses leidige Thema um 40 Zentimeter Verlegetiefe endlich gelöst ist.“
Wenn die ersehnte Glasfaserleitung dann doch noch unter die Erde kommt – dann würde das für tief empfundene Begeisterung sorgen bei den Menschen im hohen Norden, in Stolpe auf Usedom.
Das Thema im Video:
Usedom: Schnelles Internet für die Sonneninsel
Um die Insel Usedom mit Glasfaser zu versorgen, musste ein 900 Meter langes Stahlrohr unter dem Peenestrom eingezogen werden. Ein Vorort-Termin war da natürlich Pflicht.