2009: Als die Telekom mit Google die Handy-Welt verändert hat
70 Prozent Weltmarktanteil bei Smartphones hat Android mittlerweile. Googles mobiles Betriebssystem hat eine absolute Erfolgsgeschichte geschrieben. Und diese Erfolgsgeschichte hat in Deutschland vor genau 15 Jahren begonnen, am 2. Februar 2009. Das war der Tag, an dem die Telekom die Handy-Welt verändert hat – mit dem Verkaufsstart des ersten Android-Smartphones, dem T-Mobile G1. Von 0 auf 70 Prozent Marktanteil in 15 Jahren: Wir erklären im neuesten Blogbeitrag, wie ein Handy mit Schiebe-Bildschirm auch dank der Telekom eine Weltkarriere eingeleitet hat.
T-Mobile G1 – Googles erste Android-Generation
Nachdem die Telekom bereits 1999 den BlackBerry 850 und 2007 das erste iPhone nach Deutschland gebracht hatte, folgte 2009 Teil 3 der Smartphone-Revolution. Die neue Welt kostete exakt 449,95 Euro. Zu diesem Preis stand das T-Mobile G1 vertragsfrei im Laden. Mit Vertrag konnten Kundinnen und Kunden für monatlich 59,95 Euro in die Handy-Zukunft aufbrechen. Für dieses Geld gab es ein Touchscreen-Handy mit schwarzem oder weißem Kunststoffgehäuse, mit „T-Mobile“-Branding – und mit einer echten Tastatur, die sich unter dem herausschiebbaren 3,2-Zoll-Display versteckte. Denn so ganz geheuer waren reine Touch-Handys wie das iPhone den Entwicklern und den Kunden damals noch nicht. Deshalb hatte das G1 auch ein sogenanntes „Kinn“ unter dem Bildschirm – mit echten Tasten zum Annehmen und Auflegen von Gesprächen. Und mit einem winzigen Trackball als Mouse-Ersatz, um durch die Menüs zu navigieren.
Die Technik des ersten Google-Phones im Detail
Weil Smartphone-Jahre bekanntlich Hundejahre sind, wirkt die Technik des G1 heute beinahe vorsintflutlich, wie ein museumsreifer Oldtimer. Vor 15 Jahren war sie State of the Art. Henning Gajek ist Senior Editor bei teltarif.de und einer von Deutschlands versiertesten Mobilfunk-Experten. Er hat sich schon mit Handys beschäftigt, als sie noch keine Handys waren, sondern kiloschwer im analogen A-Netz gefunkt haben: „Damals musste man einen Knopf drücken und dem Fräulein vom Amt sagen, hier ist Wagen 4711, ich hätte gern …“
Das Fräulein vom Amt (das heute auch nicht mehr so heißen würde) gab es 2009 beim T-Mobile G1 nicht mehr. Beeindruckend waren die Leistungsdaten aus heutiger Sicht aber auch nicht, erinnert sich Henning Gajek: „Der Prozessor von Qualcomm hatte 528 MHz Taktfrequenz. Heute haben die Dinger meist 2, 3, 4, 5 Gigahertz. Und es waren ‚sensationelle‘ 192 MB RAM drin, und 256 MB Speicherplatz.“ Die Rückkamera hatte karge 3,15 Megapixel. Wobei die Idee mit dem herausschiebbaren Bildschirm gar nicht so verkehrt war: „Damit konnte man viel schneller Textnachrichten verschicken oder E-Mails tippen.“ Das waren die User noch von den Smartphone-Pionieren BlackBerry und Nokia Communicator gewohnt.
Der Start in Deutschland
Ursprünglich hieß das erste Google-Phone „HTC Dream“ und stammte von Hardware-Spezialist HTC aus Taiwan – der heute vor allem mit seinen „Vive“-Datenbrillen unterwegs ist. Denn damals baute Google noch keine eigenen Smartphones, wie heute mit seinen erfolgreichen Pixel-Handys. Die Telekom holte das Gerät nach Deutschland und erfüllte damit tatsächlich die Träume erster Smartphone-Fans. An Bord war Android 1.0 und kurz danach schon Android 1.1 – die erste Version mit Süßwaren-Namen, wie er danach bei allen Android-Releases Tradition wurde. „Petit Four“ sollte den Nutzerinnen und Nutzern Appetit auf die neue Google-Welt machen.
Zum Start lud die Telekom Anfang 2009 deutschlandweit Journalisten ein, um auf dem Gerät eine Art Schnitzeljagd nach „Mister X“ zu spielen. Der Standort des Unbekannten war dabei nur kurz auf dem Display zu sehen. Die Journalisten mussten dann versuchen, Mister X in der Stadt zu finden und einzukreisen – eine Top-Werbung für die GPS-Ortung des G1. Damals sind in den Städten die ersten Menschen gegen Laternenpfähle gelaufen, weil sie beim Gehen auf ihr Smartphone geschaut haben …
Premiere für Android
„Der US-Entwickler Andrew Rubin hat ja Android erfunden und das den Google-Leuten vorgeschlagen“, erinnert sich Henning Gajek. „Die haben 2007 eine Arbeitsgruppe gegründet, die nach langem Zögern beschlossen hat, wir machen so was.“ Rubin hatte ursprünglich ein Betriebssystem für Digitalkameras geplant. Doch spätestens nach der spektakulären Premiere des iPhones am 9. Januar 2007 deutete sich an, wohin die Reise in Sachen Smartphones geht. Google musste bei Android nachbessern und gründete eine Allianz mit Firmen wie HTC, Motorola und Samsung sowie mit Providern wie T-Mobile – mit dem Ziel, ein gemeinsames, herstellerübergreifendes Smartphone-Betriebssystem zu schaffen.
Google blieb bei seiner bewährten Taktik, so Experte Gajek: „So wie die Google-Suche bis heute kostenlos ist, war das Rezept auch bei Android, dass die Handyhersteller dafür nichts bezahlen mussten.“ Sie bekamen das Betriebssystem gratis – mussten im Gegenzug aber Google-Programme wie Suche, Maps, Gmail und später auch YouTube auf ihren Geräten vorinstallieren. Das beschert dem US-Konzern seither milliardenschwere Werbeeinnahmen.
Die Grenzen des mobilen Internets
Einfach so wie heute nach Lust und Laune im Internet zu surfen, Webseiten, Bilder und Videos aufzurufen – das war mit dem G1 im damals noch recht neuen 3G-Netzwerk nur sehr rudimentär möglich. Die Telekom setzte auf ihre eigene Anwendung „Web ’n’ Walk“ fürs mobile Surfen. Damals hatten alle Provider quasi ihr eigenes abgespecktes Internet. Bei der Telekom hieß das T-Zone. Henning Gajek weiß, was dahintersteckte: „Weil die Prozessoren noch nicht so leistungsfähig waren und weil Datenübertragung sehr teuer war, hat man versucht, alle Inhalte möglichst runter zu reduzieren.“ Dieses „Schmalspur-Internet“, so Gajek, erwies sich aber schnell als Irrweg: „Man hat bald gemerkt, wenn schon, dann wollen die Leute richtiges Internet.“
Kein großer Erfolg – aber der Start einer Weltkarriere
Das T-Mobile G1 war als Smartphone-Pionier kein großer Verkaufserfolg. Einer der Hauptgründe: Nach maximal 45 Minuten intensiver Beschäftigung war der Akku leer. „Das war bei diesen frühen Geräten immer das Problem“, weiß Handy-Archäologe Gajek. „Die Prozessoren und die Bildschirme haben viel Strom gebraucht – den die Akkus gar nicht liefern konnten.“ Hier war noch viel Entwicklungsarbeit nötig, um Handys zu bauen, die so wie heute zumindest einen Arbeitstag durchhalten. Immerhin: Der Akku des G1 ließ sich herausnehmen und durch einen frisch geladenen ersetzen.
Aufhalten ließ sich die clevere Idee mit einem einheitlichen Betriebssystem für alle Hersteller (außer Apple) nicht. 2011 hatte Android bei Mobiltelefonen einen Weltmarktanteil von 15 Prozent. Damals lag Nokia, das den Anschluss an die Touchscreen-Welt verpasste, mit rund 30 Prozent noch vorne. Heute gibt es nur mehr zwei relevante Betriebssysteme: Android mit 70 Prozent, iOS mit 30 Prozent. Alle anderen Konkurrenten wie Nokias Symbian sind weitgehend vom Markt verschwunden.
Die Android-Zukunft
Beim Duopol aus Android und Apple dürfte es vorerst bleiben. Das iPhone überzeugt dadurch, dass Apples Hard- und Software aus einem Haus kommen und damit perfekt aufeinander abgestimmt sind. Androids sind von 150 bis 2.000 Euro in allen Preisklassen vertreten, die Auswahl ist riesig. Und auch das Problem, dass die Google-Handys oft nur wenige Jahre mit frischer und sicherer Android-Software aktualisiert werden, bekommen die Hersteller langsam in den Griff. So verspricht Samsung für sein gerade präsentiertes neues Flaggschiff Galaxy S24 bis zu sieben Jahre Android-Updates.
Fachmann Henning Gajek, der nicht nur die Vergangenheit im Blick hat, sondern der auch immer nach vorne schaut, sieht die Android-Zukunft so: „Das ist eine politische Geschichte. Die Amerikaner und die Chinesen liegen im Clinch – was Huawei dazu bewogen hat, sein eigenes Betriebssystem ‚Harmony OS‘ zu entwickeln. Am Anfang war das wohl ein etwas umlackiertes Android. Jetzt soll aber ‚Harmony Next‘ kommen, als komplett eigenes System.“ Und wenn irgendwann Hunderte Millionen von chinesischen Handy-Nutzern Android den Rücken kehren, könnte tatsächlich eine starke dritte Kraft entstehen. Fest steht nur so viel: Die Smartphone-Zukunft bleibt spannend – mindestens für die nächsten 15 Jahre.