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Sandra Rohrbach

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Champagner oder Magenbitter

25 Jahre Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes -  Wolfgang Kopf, Politik- und Regulierungschef der Telekom, zieht Bilanz.

Sind 25 Jahre Regulierung des Telekommunikationsmarktes ein Grund zu feiern?

Sind 25 Jahre Regulierung Grund zu feiern? © Deutsche Telekom

Vor 25 Jahren wurde in Deutschland der Telekommunikationsmarkt liberalisiert: Das Monopol der Deutschen Bundespost wurde aufgebrochen und der Telekommunikationssektor für den Wettbewerb geöffnet. Damals war eine Regulierung von Behörden sinnvoll, denn es galt, Wettbewerb in Gang zu bringen. „Es ist eine einzigartige Erfolgsstory. Wir haben in den letzten 25 Jahren eine komplette technische Revolution erlebt, denn die Telekommunikationsnetze sind die Grundlage für die Digitalisierung“, resümiert Wolfgang Kopf, Leiter des Bereichs Politik und Regulierung der Deutschen Telekom, im neuen Digitalpolitik- Podcast der Telekom

Doch der Politik- und Regulierungschef eines der weltweit größten Telekommunikationskonzerne spart gleichzeitig nicht mit Kritik an zu viel Bürokratie in einem heute gut funktionierenden Markt. Denn ein Vierteljahrhundert später leidet die Branche unter stagnierendem Wachstum, chronischer Ertragsschwäche und fragmentierten Märkten (pdf, 173,7 KB): „Wir brauchen mehr ökonomische Vernunft. Zu viele Eingriffe von Behörden vertreiben unternehmerische Anreize und beeinträchtigen das Wirtschaftswachstum. Wir müssen an entscheidenden Stellen einen harten Cut machen, insbesondere bei der Preisregulierung und der sogenannten Zugangsregulierung, fordert Wolfgang Kopf.

Wolfgang Kopf

Wolfgang Kopf fordert weniger Regulierung. © Deutsche Telekom

Marktöffnung vor 25 Jahren

Der Rückblick auf die Anfangsjahre der Marktöffnung fällt bei dem Regulierungsexperten der Telekom positiv aus: „Die Privatisierungen und die anschließende Öffnung der Märkte waren die Voraussetzung für einen großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel. Die Telekom hat sich von einer Behörde zu einem der hoch dynamischen digitalen Unternehmen entwickelt.“ Doch es mussten dabei auch einige starke Einschnitte verkraftet werden. Kopf erinnert daran, dass die Liberalisierung auch mit einem enormen Mitarbeiterabbau einherging. 1995 habe das Unternehmen noch 220.000 Mitarbeiter in Deutschland gehabt, heute sind es unter 80.000 Mitarbeitende. „Der Abbau fand in diesen Jahren sozialverträglich statt, aber es haben auch Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Das war nicht einfach und auch nicht schmerzlos.“

Telefonhäuschen

Die Zeiten von „Fasse dich kurz!“ sind lange vorüber. © Deutsche Telekom

Regulierung ist falsch abgebogen

Zur Marktöffnung 1998 mussten die Weichen richtig gestellt werden, um den Wettbewerb im Bereich Telekommunikation in Gang zu bringen: Den Wettbewerbern musste Zugang zum Netz des Monopolisten gewährt werden. Über Vorleistungen der Telekom konnten diese dann erste Dienste anbieten. Die neuen Anbieter sollten im besten Fall günstigere Angebote schaffen. Mit Blick auf die Preisentwicklung war die Liberalisierung ein Segen für die Verbraucher. Weniger erfolgreich war sie im Bereich Infrastrukturausbau: „Die Regulierung sorgt bis heute dafür, dass Wettbewerber ohne eigenes Netz günstige Dienste erzeugen können und hohe Gewinne machen. Es wurden keine Anreize gesetzt, Netze in Konkurrenz zu bauen“, moniert Wolfgang Kopf. So habe es beispielsweise in den Vereinigten Staaten schon vor gut zwanzig Jahren einen Wechsel des Regulierungsregimes gegeben mit der Folge, dass Wettbewerber ihr eigenes Netz bauen mussten, wenn sie im Markt bleiben wollten. Eine Zugangsregulierung zu Netzen Dritter wurde abgeschafft. „Wir sind auf europäischer und auf nationaler Ebene vor 15 Jahren völlig falsch abgebogen, indem wir die Regulierung fortgeführt haben, die ursprünglich nur für eine Übergangsphase gedacht war“, unterstreicht der Telekom-Politikchef und konstatiert: „Heute haben wir eine Regulierungsbehörde mit mehr als 3.000 Mitarbeitern. Und damit zeigt sich ein Phänomen, was es in Verwaltungen leider immer wieder gibt: Was wir einmal geschaffen haben, werden wir nicht mehr los.“

700 Seiten Glasfaserregulierung sind zu viel

Für Wolfgang Kopf ist es daher längst überfällig, einen Kurswechsel in Sachen Regulierung zu vollziehen: „Wir müssen so schnell wie möglich einen Cut machen und die Zugangs- und Preisregulierung abschaffen. Je freier wir sind in unseren Entscheidungen, desto mehr können wir durch Wachstum für das Wohl in unserem Land beitragen.“

Glasfaserausbau-Arbeiten

Im Glasfasermarkt herrscht munterer Wettbewerb. © Deutsche Telekom

Welche Auswüchse die Regulierung heutzutage annimmt, zeigt sich seiner Ansicht nach beim Glasfaserausbau: „Was wir sehen, ist erstmals ein Infrastruktur-Wettbewerb, den wir bislang vermisst haben. Und das ist sehr gut für jeden Markt. Jeder kann in jedem Gebiet ausbauen. Aber statt diesen Schwung zu nutzen, verfassen die Behörden 700 Seiten lange Regulierungsverfügungen mit Marktdaten, die älter sind als sechs Jahre“, kritisiert der Jurist.

Ergebnis der neuen Verfügung: Nur die Telekom muss anderen Netzbetreibern ihre Leerrohre für Glasfaserleitungen zur Verfügung stellen. Für die Wettbewerber gilt dies nicht. Einen Seitenhieb kann sich Kopf daher nicht verkneifen: „Das ist schon paradox. Denn gleichzeitig beschweren sich die Wettbewerber über „bösen Überbau“ sobald die Telekom ihr eigenes Netz ausbaut, und dabei nicht einmal die Leerrohre der Wettbewerber nutzen darf.“

Antenne

Frequenz sind ein knappes Gut. © Deutsche Telekom

Frequenzpolitik braucht mehr Anreize

Bei der Frequenzvergabe im Mobilfunk spielt die Regulierung weiterhin eine große Rolle. Die Bundesnetzagentur verantwortet die Vergabe der Frequenzen und gestaltet so den Mobilfunkmarkt. Für Wolfgang Kopf hat anfangs eine kluge Regulierung den digitalen Mobilfunk in Europa zum Erfolgsmodell gemacht. Die Fehler seien später gemacht worden: „Einer der bekanntesten war die UMTS-Frequenzauktion im Jahr 2000, die 60 Milliarden Euro Einnahmen für den Staat brachte.“ Dieses Geld fehlte dann für den Ausbau der neuen Netze und zwang auch gleich zwei Bieter in den Konkurs. Auch in Zukunft sollten die Frequenzen nach bestimmten Regeln vergeben werden: „Frequenzen sind ein knappes Gut in staatlicher Hand“, erläutert Kopf. Problematisch werde es erst, wenn ungleiche Voraussetzungen geschaffen würden. „Wir sehen gerade in Deutschland, dass wieder etwas schiefgeht. Es wird der Versuch unternommen, dem Neueinsteiger 1&1 den Markteintritt zu erleichtern und für ihn bessere Bedingungen zu schaffen. Das Ergebnis: 1&1 hat nichts von dem gebaut, was sie hätten bauen müssen, verlangen aber noch weitere Frequenzen.“ Der richtige Weg sei vielmehr, alle gleich zu regulieren bzw. nicht länger zu regulieren. 

Champagnerkorken und Kritik

Trotzdem sind „25 Jahre Regulierung“ für Wolfgang Kopf ein Grund zu feiern: „Es ist eine außergewöhnliche Geschichte, die unser Unternehmen und unsere Branche hinter sich gebracht hat. Die Liberalisierung war der absolut richtige Schritt. Und wer - wie ich -dabei war, kann auch ziemlich stolz sein, Teil des Ganzen zu sein. Das muss man einfach nüchtern konstatieren. Es ist eine der spannendsten Branchen der letzten 25 Jahre.“ Für den Politik- und Regulierungschef der Telekom ist daher das Getränk der Wahl zum Jubiläum weder Mineralwasser noch Magenbitter, sondern: Champagner.

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Dachterrasse und Kuppel des Reichstags in Berlin.

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