Strafverfolgung im Netz braucht uns alle
Das Netz ist kein rechtsfreier Raum, melden und anzeigen passiert noch viel zu wenig. Ein neues Gesetz soll helfen. Doch Strafverfolgung allein löst nicht alles. Für ein konstruktives Zusammenleben im Netz braucht es mehr: den Einsatz von uns allen.
Wer auf der Straße eine andere Person, zum Beispiel einen Polizisten, beleidigt, riskiert eine Anzeige. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2020 mehr als 240.000 Beleidigungen zur Anzeige gebracht. Wird hingegen in Kommentaren im Netz beleidigt, bleibt dies oft ohne strafrechtliche Konsequenz. Nur bei sechs Prozent der zur Anzeige gebrachten Beleidigungen im letzten Jahr wurde das Internet als Tatmittel angegeben.
Man könnte nun glauben, das liege daran, dass es nicht viele Beleidigungen im Netz gibt oder das Netz ein rechtsfreier Raum sei. Beides ist falsch. Trotzdem wird kaum angezeigt. Dabei können Kommentare, die beleidigend, volksverhetzend und rassistisch sind oder zu Gewalt aufrufen, online genauso eine Straftat sein wie offline.
Damit Strafverfolgungsbehörden handeln können, müssen solche Kommentare gemeldet und angezeigt werden. Dass das noch viel zu wenig passiert, zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Bitkom-Umfrage. Während jeder sechste Social Media Nutzer bejaht, bereits Opfer von Hassrede geworden zu sein, geben nur 1 Prozent an, auch Strafanzeige gestellt zu haben.
Die meisten unserer Gesetze sind in Zeiten entstanden, in denen es das Internet und die sozialen Medien noch nicht gab. Die Herausforderung liegt nun darin, sie auf die digitale Welt anzupassen, damit Strafverfolgung für Taten im Netz noch besser gelingen kann. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist die Bundesregierung einen ersten Schritt in diese Richtung gegangen. Am 3. April 2021 trat nun auch das Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität in Kraft.
Welche Gesetze gibt es, um Straftaten im Netz besser verfolgen zu können?
Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz NetzDG)
Das NetzDG trat am 1. Oktober 2017 in Kraft. Es nimmt Plattformbetreiber gewinnorientierter sozialer Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern in die Pflicht. Werden sie über rechtswidrige Inhalte auf ihrer Plattform informiert, müssen sie innerhalb von 24 Stunden reagieren und diese sperren oder löschen. Falls dies nicht geschieht, droht ihnen ein Bußgeld in Millionenhöhe.
Vielen Experten ging das NetzDG nicht weit genug, da es für E-Mail- und Messenger-Dienste, berufliche Netzwerke, Fachportale, Online-Spiele und Verkaufsplattformen keine Anwendung findet. Auch die Frage, ob privatwirtschaftliche Unternehmen so stark in die Verantwortung genommen werden können und sollen, wird immer wieder intensiv diskutiert. Das Argument der Skeptiker: so würden staatliche Aufgaben wie die Verfolgung von Straftaten auf Unternehmen verlagert werden.
Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität
Um zukünftig noch entschiedener Hass und Hetze im Netz verfolgen zu können, trat am 3. April 2021 das Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität in Kraft. Es ist nun ausdrücklich strafbar, jemanden mit gegen die sexuelle Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder Schaden der Person oder eines Angehörigen zu bedrohen. Zusätzlich wird das Strafmaß für Bedrohen und Beleidigen von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe angehoben. Auch die steigenden antisemitischen Straftaten in den letzten Jahren wurden in dem Gesetzespaket berücksichtigt. Antisemitische Beweggründe wirken nun strafverschärfend.
Das neue Gesetz nimmt die Betreiber der sozialen Plattformen noch stärker in die Pflicht. Werden ihnen Morddrohungen, volksverhetzende Äußerungen oder andere strafbare Inhalte gemeldet, sind sie nun verpflichtet diese Inhalte nicht nur zu sperren oder zu löschen, sondern auch an das Bundeskriminalamt zu melden. Ab Februar 2022 muss der Prozess dazu zwischen allen Beteiligten stehen.
Das neue Gesetz schützt auch Personen besser, die in der Kommunalpolitik oder in ärztlichen Notdiensten tätig sind. Wer ehrenamtlich tätig und dadurch Drohungen oder Beleidigungen ausgesetzt ist, kann seine Daten leichter als bisher im Melderegister für eine Auskunft sperren lassen.
Gesetzentwurf der EU über digitale Dienste (Digital Services Act)
Auch die europäische Union will ihr Vorgehen gegen Hass im Netz verschärfen. Die Europäische Kommission hat dazu den Entwurf für ein Gesetz über digitale Dienste vorgelegt, das noch im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene erörtert werden muss. Sobald die neuen Vorschriften angenommen sind, gelten sie unmittelbar in der gesamten EU.
Neben der Pflicht, Informationen von Straftäter*innen im Netz an die Justiz der Mitgliedsländer oder Europol zu geben, soll es die Plattformen auch dazu verpflichten, Meldefunktionen für ihre User einzurichten. Jede Meldung, die dann hierüber eingeht, muss geprüft werden. Das Gesetz soll auch die Manipulation von Nutzer*innen bekämpfen. Beispielsweise muss Werbung klar als solche erkennbar sein. Sehr große Plattformen sollen ein Archiv der über ihre Seiten verbreiteten Werbung führen. Das Ziel: die Verfolgung von Dark-Ads, die wir im Artikel Digitale Phänomene im Netz: Wenn Programmcodes für uns entscheiden erklären, wesentlich zu erleichtern beziehungsweise diese grundsätzlich zu unterbinden.
Der Gesetzentwurf sieht auch eine stärkere Berichtspflicht für Anbieter mit mehr als 45 Millionen Nutzer*innen pro Monat vor. Sie sollen einmal jährlich einen Report zu den Risiken veröffentlichen, die durch die Nutzung ihres Dienstes entstehen und darin auch offenlegen, welche Gegenmaßnahmen sie ergreifen.
Wer meldet und anzeigt hilft, das Netz zu einem besseren Ort zu machen.
Das Internet ist schnelllebig und verändert sich ständig. Deshalb müssen auch Gesetze flexibler angepasst werden können. Damit Gesetze aber überhaupt greifen, müssen wir als mündige Nutzer*innen aktiv werden und strafbare Posts, Kommentare oder Nachrichten melden. Melden kann man: bei den Plattformen selbst, bei Organisationen wie HateAid oder direkt bei der Polizei. Als Telekom haben wir uns mit der Initiative Verfolgen statt nur Löschen und der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet der Staatsanwaltschaft Göttingen Partner gesucht, die sich dafür einsetzen, dass Hasskriminalität im Netz rechtlich stärker verfolgt wird und leichter angezeigt werden kann.
Wird uns eine neue Gesetzgebung vor Hass im Netz retten?
Ja und Nein. Natürlich ist die Gesetzgebung ein erheblicher Baustein in einer rechtstaatlichen Gesellschaft, um zu zeigen, was toleriert wird und was nicht. Gesetze bilden einen gesellschaftlich relevanten Rahmen und sollen darüber hinaus nicht nur Orientierung geben, sondern auch Einhalt gewähren und abschrecken. Dieser Orientierungsrahmen soll nicht nur in der analogen, sondern auch in der digitalen Welt gleichermaßen Anwendung finden. Nur wenn für das Internet dieselben Regeln gelten, kann es ein sicherer und friedlicher Ort für alle sein.
Aber es ist fatal zu glauben, dass sich das Problem von Hass im Netz allein erledigt, wenn sich unsere Gesetze verschärfen. Wir dürfen es nicht den Strafverfolgungsbehörden allein überlassen, auf die Einhaltung der Regeln zu achten, sondern müssen uns mit Zivilcourage für ein wertebasiertes Miteinander auch im Netz stark machen. Gerade in den Grauzonen, in denen der Ton schon inakzeptabel und verletzend, die Schwelle zur Strafbarkeit aber noch nicht überschritten ist, sind wir alle gefragt aktiv zu werden. Tun wir das nicht, verstärkt sich die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung durch Ausgrenzung und den Verlust von Vielfalt.
Digitale Zivilcourage erhält durch Gesetze eine zusätzliche Legitimation. Nichtsdestotrotz dürfen wir nicht müde werden, für ein konstruktives Zusammenleben im Netz zu kämpfen. Wir dürfen nicht wegschauen und auf Gesetze warten. Die Verantwortung trägt jeder von uns mit!
Gegen Hass im Netz
Die Telekom kämpft für ein Netz ohne Hass, in dem alle respektvoll miteinander umgehen.