„Start-ups sind wichtige Treiber für die Digitalisierung“
Start-ups bringen genau den Speed mit, der großen Konzernen oft fehlt und sind damit wichtige Treiber für die Digitalisierung. Für die Telekom spielen Start-ups eine wichtige Rolle. Darüber sprachen wir mit Anette Bronder, Leiterin des Digitalgeschäfts und Thomas Kicker, SVP Group Partnering and Business Development, bei der Telekom.
2012 hat die Telekom ihre Start-up-Schmiede Hub:raum eröffnet, 2017 kam das Start-up-Programm TechBoost dazu. Warum spielen Start-ups eine so große Rolle in der Telekom?
Thomas Kicker: Start-ups spielen für die Telekom zumindest in drei Dimensionen eine sehr wichtige Rolle: Erstens: Talente. So hat die Telekom auch die Chance mit spannenden Menschen zu arbeiten, die nicht direkt in einer großen Struktur arbeiten möchten. Zweitens: Technologie. Start-ups bringen oft eine völlig neue, unbelastete Herangehensweise und sind so in der Lage, neue Technologien oder Produkte zu gestalten, auf die wir so nicht gekommen wären. Und zu guter Letzt: Transformation, denn unsere Industrie ist in ständiger Veränderung. Die „Young at Mind“-Mentalität und das unternehmerische Risiko sind Aspekte, die in gewissen Dosen wichtig für die fortlaufende Transformation der Telekom sind.
Anette Bronder: Aus Business-Perspektive geht es heute vor allem um Schnelligkeit. Start-ups bringen genau den Speed mit, der großen Konzernen oft fehlt und sind damit wichtige Treiber für die Digitalisierung. Besonders bei Wachstumsthemen wie IoT oder Cloud haben junge Unternehmen meistens zuerst den richtigen Riecher und einen Fuß im Markt. Auf der anderen Seite fehlen ihnen beispielsweise starke Kundenzugänge oder die Möglichkeit zum Skalieren von Geschäftsmodellen. Hier gilt es für uns, früh Stärken zu bündeln und Synergien zu schaffen.
Immer öfter steigt die Telekom auch bei Start-ups ein, wie jüngst beim Berliner IoT-Unternehmen relayr oder Axonize. Wie kommen solche Optionen auf den Tisch?
Anette Bronder: Unterschiedlich. Einige Start-up-Entdeckungen kommen über das Hubraum-Team. Die Kollegen halten in Tech-Metropolen weltweit – Berlin, Tel-Aviv oder San Francisco –Ausschau nach Unternehmen mit erfolgsversprechenden und vor allem skalierbaren Geschäftsmodellen. So kamen beispielsweise die Partnerschaften mit FlashNet und Ecobins zustande. Die Lösungen dieser beiden Start-ups sind für Stadtverwaltungen interessant: FlashNet hat eine smarte Lösung entwickelt, wie die Helligkeit von Straßenlaternen nach Bedarf gesteuert werden kann. Ecobins unterstützt die intelligente Planung rund um das Management von Abfalltrennung und die Leerung von Mülltonnen.
Andere Optionen legt unser Investmentarm Deutsche Telekom Capitol Partners offen. Wie die Beteiligungen an relayr und Axonize. Grundsätzlich verfolgen wir zwei Ziele: organisches Wachstum und den Ausbau unseres eigenen Portfolios.
Thomas Kicker: Im Übrigen sind wir als großes Telekommunikationsunternehmen auch für Start-ups ein attraktiver strategischer Partner. Wir stehen für die beste Konnektivität, Technologie-Know-how, haben weltweit rund 160 Millionen Kunden, Vertriebskapazitäten und bringen zudem eine vertrauenswürdige Marke mit.
Bei Start-ups denkt man an hippe Coworking Spaces und junge, etwas nerdige Gründer aus der Großstadt. Den Mittelstand hingegen assoziiert man schnell mit ländlicher Einöde oder traditionellem Handwerk. Wie passt das zusammen, Herr Kicker?
Thomas Kicker: Das sind natürlich zum Teil zutreffende Stereotype. Es gibt aber auch sehr konservative Start-ups und sehr hippe Mittelständer oder Hidden Champions, die vielleicht auf dem Land ihren Firmensitz haben, aber in punkto Kultur und Dynamik mit jedem Silicon Valley Start-up mithalten können. Wichtig sind heute vor allem vorwärtsorientiere Werte wie Risiko, Dynamik, Diversität, Authentizität und ein solides geschäftliches Selbstverständnis. Die Frage nach dem Sinn und dem Problem, das man lösen will.
In einem Satz: Was können Start-ups von uns Großen lernen?
Anette Bronder: Durchhaltevermögen und End-to-End-(E2E)-Expertise beim Aufbau von Geschäftsfeldern.
Thomas Kicker: Die Verantwortung, groß zu denken im Sinne von Skalierbarkeit und natürlich ist unsere Markterfahrung auch von Bedeutung für Gründer.
Was lernen Telekom und T-Systems von ihnen?
Thomas Kicker: Sich nicht zu ernst nehmen, auch mal Risiken eingehen. Sich nicht immer zu allen Seiten abzusichern. Kurz: einfach mal zu machen.
Anette Bronder: … und die Gabe, Dinge einfach zu machen. Im Sinne von Prozesseinfachheit.
Herr Kicker, Sie als Chef des Partnermanagements haben sicher alle „Hot Topics“ im Blick: Was sind derzeit die gefragtesten Lösungen und Start-ups am Markt?
Thomas Kicker: Schwierige Frage. Der große Hype liegt sicher aktuell auf KI und Blockchain-basierten Lösungen. Dabei gilt es natürlich, hinter die Buzzwords zu sehen und sich Fragen zu stellen: Wie stark ist das jeweilige Team, wie weit ist der Markt, die Technologie an sich, das Netzwerk und die Investoren, wie innovativ ist die Idee? Spontan fällt mir „HelloFresh“ ein. Das Berliner Unternehmen entwickelt Kochrezepte und schnürt Lebensmittelpakete, damit man die Rezepte direkt nachkochen kann – eine echt innovative Idee für unsere schnelllebige Gesellschaft. Mit seinem Börsengang im November 2017 hat HelloFresh 268 Millionen Euro eingenommen. Oder nehmen Sie Magic Leap, ein Mixed-Reality-Start-up aus Florida, das bis heute zwar kein Produkt hat, aber schon über sechs Milliarden Dollar wert ist und sich kürzlich wieder 461 Millionen Dollar an neuem Funding gesichert hat.
Frau Bronder, welche Start-up-Lösungen sind derzeit von besonderer Bedeutung für T-Systems-Großkunden?
Anette Bronder: Ganz klar IoT-Lösungen. Der Markt bewegt sich schnell – ob Mobility, Health oder Industrie. Allerdings hat jede Branche eigene, spezifische Bedarfe. Die Aufzugsindustrie braucht robuste IoT-Hardware, die Jahre ohne Batteriewechsel auskommt und eine Netzabdeckung bis tief in Gebäude hinein gewährleistet. Die Automobil- oder Logistikindustrie wiederum braucht passgenaue Hardware für dedizierte Einsatzszenarien. Auch bei den Cloud-Bedarfen schwanken die Anforderungen.
Bei der Kooperation mit Start-ups kommt es darauf an, diese Anforderungen mit möglichst wenig Anpassungsbedarf zu erfüllen und zeitgleich die Skalierbarkeit hochzudrehen. Axonize beispielsweise hat auf Basis von Azure IoT-Bausteine entwickelt, eine Art Vorkonfiguration, die wir sofort nutzen können, um Kundenprojekte schneller umzusetzen.
Beim Thema Cloud und IoT kann man Geschäftsbereiche oft nicht mehr trennscharf abgrenzen. Wie arbeiten Sie intern und mit Start-ups zusammen?
Anette Bronder: Ob IoT oder Cloud – wenn sich an einer Stelle des Konzerns ein spannender Partner auftut, arbeiten wir intern Hand in Hand, um den maximalen Nutzen für unsere Kunden auszuschöpfen. Die Logistiklösung von Roambee eignet sich zum Beispiel sowohl für den Mittelstand als auch Großkunden und findet sich in unser beider Portfolio. Nach extern treten wir aber geschlossen auf und haben ein Eingangsportal für alle IoT-Produkte des Konzerns geschaffen. Derselbe Ansatz wie beim Cloud-Portal.
Thomas Kicker: Es ist wichtig, dass es einen Lead gibt und dort natürlich bereichsübergreifend, ja idealerweise sogar bereichsunabhängig. Gerade bei Querschnittsthemen wie Smart City, wo viele technische Komponenten zusammenkommen und dementsprechend viele Fachbereiche beteiligt sind, gilt es, den Überblick zu behalten und die besten Köpfe zusammenzubringen.
Wenn ich Ihnen jetzt eine Millionen Funding zusagen würde um ein Start-up zu gründen: Welches Problem würden Sie durch moderne Technologie lösen?
Anette Bronder: Meine Leidenschaft gehört dem Sport. Ich würde wohl eine Health-App entwickeln und damit sicherstellen, dass Teams vor wichtigen Turnieren topfit und auf Höchstleistungsniveau sind.
Thomas Kicker: Ich würde mich der Mission verschreiben, den E-Mail-Verkehr um 90 Prozent zu reduzieren und eine Kollaborationssoftware entwickeln, die einfach wie Whatsapp ist und sicher wie unsere Telekom Cloud. Und natürlich könnte ich mir eine Weltfriedens-App gut vorstellen. ;-)
Frische Impulse sind gefragt
Die Telekom arbeitet intensiv mit Start-ups zusammen, die neue Geschäftsfelder im Internet der Dinge suchen.