Neustart mit Algorithmen: Markus lernt um
Alles auf Anfang: Markus van Ballegooy hat seinen Job bei der Telekom umgekrempelt. Neuerungen wie Künstliche Intelligenz machen gerade dasselbe mit seinem Fachgebiet. Also rein ins kalte Wasser und umlernen. Ein Porträt.
„Nutzerinnen und Nutzer“ – die unbekannten Wesen. Wie gehen sie mit digitalen Anwendungen um? Also im Auto, wenn sie anstatt Tachos nun Multifunktionsdisplays vor sich haben. Oder wenn sie zum ersten Mal mit Sprachsteuerung zu tun haben? Unternehmen, die sich damit auskennen, gewinnen Kund*innen. Denn so gestalten sie Anwendungen, die sich intuitiv bedienen lassen, Probleme lösen oder sogar neue, passende Angebote mitliefern. Also vieles, was den Alltag vereinfacht.
„Die Zutaten für dieses Erfolgsrezept sind heute alle da“, sagt Markus van Ballegooy. „Es gibt Datenmengen, Rechenpower und Künstliche Intelligenz. Damit zusammen lässt sich etwa vorhersagen, was Webseiten-Besucher*innen beabsichtigen. Oder Sprachsteuerungen werden möglich, die auf natürlich Gesprochenes anstatt nur auf einzelne Schlüsselwörter reagieren.“
Der Telekom-Mitarbeiter tauchte bei einer halbjährigen internen Weiterbildung in Künstliche Intelligenz (KI) ein. Er lernte die Programmiersprache Python und damit Algorithmen zu entwickeln und anzuwenden. Zum Beispiel, um 30.000 Datensätze mit Filmkritiken von Zuschauern auf Knopfdruck zu durchforsten. Also Sternebewertungen genauso wie Texte. Es galt bei der Übung herauszufinden, ob sich die Sternebewertungen von Filmen auch anhand der schriftlich verfassten Film-Kritiken vorhersagen lassen. „Das ist spannend, aber auch aufwändig. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Daten vorzubereiten – das so genannte Pre-Processing. Denn die rohen Textdaten sind meist unstrukturiert, voller Fehler und Füllwörter, die muss man der Software erst beibringen.“
Weiteres dickes Brett der Weiterbildung: künstliche neuronale Netze, die Königsdisziplin der Künstlichen Intelligenz. „Wir friemelten uns beharrlich durch und paukten, um die kniffligen Themen zu durchdringen“, fasst der 49-Jährige die Monate zusammen, die hinter den 20 Teilnehmer*innen des Kurses „AI / Data Science“ liegen. Umso schöner dann der Moment als alle ihr Zertifikat in den Händen hielten. Kurz darauf fing Markus van Ballegooy im Team „Magenta Voice“ an. Es arbeitet daran, dass sich möglichst viele Telekom-Produkte und Services künftig per Sprache bedienen lassen. Dort schraubt er mit an neuen neuronalen Netzen. Diese sollen einfacher hinzulernen und Antworten in Sprachdialogen zuverlässiger liefern. „Nun heißt es für uns Neulinge: ‚learning by doing‘“, sagt er.
Das ewige „Mensch-Technik-Thema“
Rückblende: Markus van Ballegooy arbeitete schon in seinem Psychologie-Studium vor 25 Jahren in Projekten für die Industrie, etwa für Spracherkennung und für Multifunktionsdisplays. Sein Steckenpferd sind seither Methoden und Statistiken für mehr „User Experience“ - oder wie es damals hieß: „kognitive Ergonomie“. Er nennt es lieber das „Mensch-Technik-Thema“, also positive Erlebnisse im Umgang mit digitalen Produkten. Das Interessante aus seiner Sicht: Es bleibt aktuell. Etwa bei Sprachdialogen mit Maschinen: „Auch wenn diese besser und vertrauter werden: Immer noch erwarten viele Nutzer*innen zu viel davon oder kommen nicht auf Anhieb damit zurecht.“
2001 wechselte van Ballegooy von der Uni zur Telekom-Tochter T-Systems. Schon damals arbeitete er an Sprachportalen für die Kunden der damaligen „T-Mobile Deutschland“, später optimierte er dort Systeme, mit denen Hotline-Agent*innen arbeiten. Bei den Telekom Innovation Laboratories (T-Labs) schließlich entwickelte er Methoden, mit denen Unternehmen die Nutzer*innen in die Ideen- und Produktentwicklung einbinden, wie zum Beispiel Workshopformate mit Kund*innen.
Künstliche Intelligenz: der Sprung ins kalte Wasser
„Aber irgendwann merkte ich: die Zeit ist reif, mich zu verändern“, blickt der 49-Jährige zurück. Ein Sabbatjahr war ein erster Ausdruck davon. Privat ging er Neues an und begann eine Ausbildung zum Osteopathen. Und immer mehr faszinierte ihn der KI-Hype. Schon im Studium interessierte ihn, mit großen Datenmengen umzugehen. „Dann stellte ich irgendwann fest: Es geht immer noch um dasselbe, nur dass KI im großen Stil viel mehr ermöglicht – es ist wie eine logische Weiterentwicklung für mich“, so van Ballegooy. „Früher haben wir anhand von 1.000 Webseitenbesucher*innen berechnet, wie wahrscheinlich es ist, dass welche ein Produkt kaufen. Mit KI können wir per Knopfdruck anhand von 100.000 Datensätzen viel genauer vorhersagen, was sie genau wollen. Ähnliches gilt für Spracherkennung.“
Ein roter Faden also. Markus van Ballegooy rät allen, die mit so einer Weiterbildung liebäugeln, dass sie schon Praxiskenntnisse mitbringen. „Es ist in jedem Fall ein Sprung ins kalte Wasser.“ Auch wenn das Jahre her ist, profitierte er von Programmierübungen an der Uni. Hilfreich: Die Kursteilnehmer unterstützen einander bis heute, nach ihrem Neustart in verschiedenen Fachteams. Markus van Ballegooy ist darüber hinaus angetan von der Kultur des Teilens im neuen Team genauso wie in der KI- und Software-Community des Telekom-Konzerns - und vom wertschätzenden Umgang darin. „Ob ausgewiesene Fachleute oder Quereinsteiger*innen: Allen ist bewusst, dass der Mix aus unseren unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und Hintergründe zu richtig guten Ergebnissen für die Kund*innen führt.“
Hintergrund:
Der neue Weg von Markus van Ballegooy ist auch ein Ausdruck des Wandels der gesamten IT- und Telekommunikationsbranche. Neue Technologien ermöglichen neue digitale Anwendungen für die Industrie wie für die Verbraucher. Ideen und Entwicklungen setzen im rasanten Takt neue Impulse in den Märkten. Globale Konzerne, so genannte Hyperscaler, machen diese schnell groß – als digitale Anwendungen für Millionen. Gleichzeitig baut die Telekom ihre Netze um. Für diese gilt es, die künftigen Anforderungen intelligent und flexibel zu stemmen und neue Dienste auch von Partnern schnell aufzunehmen. Damit das alles gelingt, bedarf es an Kompetenzen für Software, Cloud und Künstliche Intelligenz (KI). Ebenso wichtig: eine Kultur der Neugier und des Ausprobierens, der Offenheit, der partnerschaftlichen Kooperation sowie des agiles Arbeitens.
Die Telekom nimmt ihre Mitarbeiter*innen bei diesem Wandel mit. Das Unternehmen etablierte – neben anderen Weiterbildungsangeboten – einschlägige Akademien für Kolleg*innen ihrer IT-, Technologie- und Innovationsbereiche. Unter dem Schlagwort „New Skilling“ bilden sich Kolleg*innen darin seit 2018 beispielsweise zu Scrum Mastern aus genauso wie zu Fachleuten für Software, KI und Data Science. Und das in Vollzeit über mehrere Monate, bevor sie ihre Erfahrungen in Fachteams und -projekten einbringen und praktisch weiterlernen. Inzwischen haben über 800 Telekom-Mitarbeiter*innen diese Akademien absolviert. Weitere schließen in diesem Jahr ab.
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