Archiv

Archiv

Konzern

Caroline Bergmann

0 Kommentare

Mit Vollgas in die Zukunft: Resilienz in der Automobilindustrie

Was seit Jahrzehnten schnurrte wie ein gut geölter Motor muss jetzt auf den Prüfstand. Die Automobilbranche ist im Umbruch: Autonomes Fahren, das E-Auto, die Vernetzung. Die Branche wandelt sich immer mehr vom Autohersteller zum Mobilitätsdienstleister. Überleben werden nur Anbieter, die Chancen und Risiken kalkulieren. Und eine gesunde Widerstandskraft aufbauen. 

Resilienz in der Autoindustrie

Pandemie zeigt Schwachstellen im System. Gestörte SupplyChains; geschlossene Autohändler. So stärken Hersteller und Händler ihre Resilienz. © Deutsche Telekom AG

Die Automobilhersteller sehen sich an verschiedenen Fronten mit Umbrüchen konfrontiert. Die Ansprüche der Kunden verändern sich. Immer mehr Menschen wünschen sich nachhaltige Mobilität, weg vom Verbrenner hin zum E-Auto. Bereits für 2030 haben einige europäische Länder wie zum Beispiel die Niederlande oder Schweden geplant, den Verkauf von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen zu verbieten. Zusätzlich drängen mit dem autonomen Fahren neue Anbieter auf den Markt. Automobilhersteller konkurrieren plötzlich mit Internetkonzernen und Anbietern von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT). Oder sie kooperieren mit ihnen, um zukunftsfähig zu bleiben. 

Als wäre dies alles nicht schon Herausforderung genug, hat das letzte Jahr weitere Schwachstellen im System gezeigt. Lieferketten wurden gestört, eine halbe Million Beschäftigte mussten allein in Deutschland in Kurzarbeit gehen. Der traditionelle Vertriebsweg brach zusammen. Autohändler mussten teilweise schließen. Was für Händler und Hersteller in dieser Situation hilfreich war, zeigen folgende Beispiele.

Mit Digitalisierung durch den Lockdown – Investitionen in Kundenservice zahlen sich aus

Die Kunden von heute sind anspruchsvoll. Wer ein Fahrzeug kauft oder sein Auto in die Werkstatt bringt, erwartet von seinem Autohaus eine durchgängige Betreuung. Und das im persönlichen Kontakt genauso wie virtuell. Möglich machen dies digitale und mobile Technologien. Dazu gehört die Online-Terminbuchung genauso wie ein digitaler Showroom. Oder das Telefonat mit digitaler Unterstützung. So erklärt der Service-Mitarbeiter mit Hilfe seines Tablets dem Kunden direkt an der Hebebühne, wie der Zustand seines Fahrzeuges ist. Eine Betreuung, fast so persönlich wie der Kontakt vor Ort. Das hilft, wenn zum Beispiel während eines Lockdowns der Besuch beim Händler plötzlich nicht oder nur noch eingeschränkt möglich ist. 

Für eine perfekte Betreuung sind alle gefordert: vom Empfangscounter über Verkauf und Service bis zur Buchhaltung. Dafür müssen Informationen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Organisation vernetzt sein. Von Vertriebs- und Serviceorganisation, dem Kundenkontakt-, Neu- und Gebrauchtwagenmanagement, den Bereichen Ersatzteile/Zubehör und Service bis hin zu Garantie- und Kulanzabwicklung.

Wie so eine Lösung aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus dem VW-Händlerumfeld. Gemeinsam mit dem Kunden entwickelte T-Systems das bestehende „Dealer Management System“ (DMS) entsprechend der neuen Kundenansprüche weiter. Im Vergleich zu seinem Vorgänger verfügt das neue System über eine vollkommen neue Schnittstellenarchitektur. Sowohl neue als auch bereits existierende Systeme werden hier schnell miteinander vernetzt. Für den Händler heißt das, er sieht den kompletten Serviceprozess mit einem Blick – von der Terminvereinbarung über Werkstattplanung, Direktannahme und Auftragsdurchführung bis hin zur Rechnungsstellung.

Transparenz in Lieferketten erhöhen

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben deutlich gezeigt, wie anfällig globale Lieferketten sind. Besonders schlimm traf es zu Beginn der Krise Betriebe, wenn mehrere Faktoren zusammenkamen: Mitarbeiter in Quarantäne, Einbruch des Nachschubs, geschlossene Grenzen. Automobilhersteller mussten Werke zeitweise schließen, wodurch die Zuliefererindustrie ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurde. Lieferketten sind zusammengebrochen. 

Das Management dieser Lieferketten (Supply Chains) ist für die Automobilbranche eine zentrale Herausforderung. Kaum eine Maschine ist so komplex wie ein modernes Auto. Ein Automobilhersteller muss rund 1.000 Lieferanten koordinieren, die ihre Waren mit durchschnittlich 1.200 Lkws pro Woche in seinem Werk anliefern. Weit über zehn Millionen Teile werden täglich bei einem Hersteller verarbeitet. Da wird die Logistik zum entscheidenden Faktor. Wann die Komponenten eintreffen und wo sie sich genau befinden, ist für die Montage entscheidend. 

Damit Produktion und Logistik stets die Übersicht über die nötigen Teile haben – inklusive Materialfluss, Transportwarnungen und Materialverbrauch kommen IT Systeme wie der „Supply Chain Control Tower“ zum Einsatz. Das System heißt nicht nur wie ein Flughafen-Tower, es sieht auch so aus. In einem „Control-Tower“ überwachen Mitarbeiter auf großen Anzeigen hunderttausende von Kennzahlen. Sie zeigen wo sich jedes einzelne Teil befindet und ob es pünktlich in der Produktion ankommen wird. Die tägliche Aktualisierung der Daten umfasst alle Arten von Informationen. Von den Lagerbeständen der Zulieferer bis hin zu den Prozessen in den Transport- und Logistikzentren.

Laut McKinsey planen 93 Prozent der Supply-Chain-Verantwortlichen die Resilienz ihrer Lieferketten zu verbessern. Tatsächlich haben aber lediglich 39 Prozent solche zentralen digitalen Kontrollzentren implementiert, die ihnen Einblicke in die gesamte Lieferkette erlauben. 

Gemeinsam langfristig erfolgreicher

Eine weltweite Pandemie, wie die aktuelle mit Covid-19, zeigt nur eine Seite der Medaille. Unternehmen, die bereits frühzeitig auf dynamische und digitale Lösungen gesetzt haben, überstehen einen Shutdown leichter. Doch die Pandemie wird langfristige Auswirkungen haben: Das Konsumverhalten wird sich mittelfristig verändern. Die Kunden der Autohäuser sind vermehrt dazu bereit, Onlinemedien zu nutzen. Laut einer Studie von Deloitte würden zum Beispiel in Deutschland schon fast ein Viertel der Kunden auch Neuwagen online zu kaufen. 

Die Automobilindustrie entwickelt sich hin zu einem Netzwerk, in dem Anlagen, Maschinen, Fabriken und Lieferketten eng vernetzt werden. Daten und Analytik stehen im Zentrum. Ziel der Branche ist es, sowohl die Produktion zu optimieren als auch eine verbesserte Nutzererfahrung – bei Mitarbeitern und Kunden – zu schaffen. Dazu brauchen Unternehmen digitale Plattformen, die eine sichere Zusammenarbeit gewährleisten. 

Dies ist einer der Gründe, warum sich Anfang 2021 mehr als 20 Unternehmen zusammenschlossen und Catena-X Automotive Network gegründet haben. Ein erweiterbares Ökosystem, an dem sich Automobilhersteller und -zulieferer, Händlerverbände sowie Ausrüster gleichermaßen beteiligen. Das Ziel: ein sicheres Daten-Netzwerk über Europa zu spannen, das höchsten Ansprüchen an digitale Souveränität genügt. Basierend auf den europäischen Standards der International Data Space Association (IDSA) und GAIA-X. Damit steht dem Automotive Network eine vertrauenswürdige und sichere Infrastruktur zur Verfügung, in der Mitglieder ihre Daten, Anlagen, Geschäftsprozesse und Anwendungen effizient und sicher verbinden können. Ihr Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Fahrzeugindustrie zu erhöhen und gleichzeitig die Effizienz in der Zusammenarbeit zu verbessern.

Generell ist die Automobilbranche bereits gut aufgestellt. Um den neuen Herausforderungen zu begegnen und sich noch stärker für die Zukunft zu rüsten, müssen Hersteller und Zulieferer jetzt stärker auf Kundenbedürfnisse eingehen, ihre Fertigung anpassen, Prozesse optimieren und flexibler produzieren. Dafür sind die Digitalisierung und speziell das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) wichtige Werkzeuge.

Was macht ein resilientes Unternehmen aus? Woche für Woche finden Sie dazu neue Beiträge in unserem Special über Resilienz durch Digitalisierung.

Die Prioritäten ändern sich. Vieles, was früher Kür war, ist heute Pflicht.

Digitale Unternehmen

Die globale Wirtschaftskrise beschleunigt die vorhandenen Trends. 

FAQ