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Nadja Kirchhof

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„Medienkompetenz ist der Schlüssel” – Schulleiterin und Autorin Silke Müller über die Gefahren und Chancen der digitalen Welt

Silke Müller ist Schulleiterin, Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen und Bestsellerautorin. In ihrem Buch „Wir verlieren unsere Kinder” fordert sie mehr Schutz für Kinder und Jugendliche im Netz. Im Interview spricht sie darüber, wieso Medienkompetenz der Schlüssel für eine Welt ohne Hass und Gewalt im Netz ist.

Silke Müller

Silke Müller (Bestseller „Wir verlieren unsere Kinder”) im Telekom Interview über Medienkompetenz als Mittel gegen Hass im Netz. © Carolin Windel

Es sind grausame Bilder, die da über den Bildschirm flimmern. Manche der Zuschauenden wenden sich ab, andere halten sich die Augen zu. Was wie die Spätvorstellung eines Horrorfilms anmutet, ist eine Informationsveranstaltung an einer Schule in Niedersachsen. Schulleiterin Silke Müller steht vor einer Gruppe von Eltern und sagt: „Schauen Sie bitte hin. Diese Dinge sehen sich Ihre Kinder an.”

Seit 2015 ist Silke Müller, selbst (Stief-)Mutter von zwei Töchtern, Schulleiterin einer Oberschule in Niedersachsen. Bei ihrer Arbeit wird sie immer wieder mit den Schattenseiten der digitalen Welt konfrontiert. 96 Prozent der 12- bis 19-Jährigen besitzen ein eigenes Smartphone (JIM-Studie 2022) – auch an Silke Müllers Schule. Das, was sich die Jugendlichen in den Pausen in Chats schicken, ist manchmal weit entfernt von Hausaufgaben und Schwärmereien für Klassenkamerad*innen. Silke Müller weiß: „Schon Grundschüler*innen sind Bildern von Gewalt, Pornografie und Rassismus ausgesetzt. Zugespielt von Mitschüler*innen, aber auch von völlig Fremden in den sozialen Medien.”

Hass und Gewalt als Unterhaltung im Klassenraum

Seit 2021 ist Silke Müller Niedersachsens erste Digitalbotschafterin. Ihr Ziel: zeitgemäße Medienerziehung. Den wenigsten Eltern und Lehrer*innen sei bewusst, wie leicht ihre Schützlinge an grausame Bilder und Videos kämen und welche Auswirkungen das auf die Psyche haben könne. „Wir brauchen mehr werteorientierte Diskussionen und Gespräche – sowohl in der Schule als auch in der Erziehung. Gleichzeitig braucht es klare Richtlinien oder Gesetze, um Kinder vor solchen Inhalten zu schützen”, fordert Silke Müller. Grausamkeiten, die in Klassenchats hin- und hergeschickt werden, führen unweigerlich zu Abstumpfung. Hass und Gewalt im Netz werden zum Unterhaltungsfaktor. Dass in den Bildern und Videos, aber auch in Kommentarspalten, reale Menschen leiden, blenden die Kinder irgendwann aus. 

Darum fordert die Schulleiterin: „Wir müssen unsere Kinder in Empathie trainieren. Dafür braucht es zum einen entlastete Lehrpläne und zum anderen die Erkenntnis in der Pädagogik, dass soziale Netzwerke einen viel stärkeren Einfluss auf die Entwicklung von Kindern haben, als wir glauben.” Grundsätzlich problematisch sei der anonyme Zugang zu den Netzwerken. Erwachsene können sich mühelos als gleichaltrig ausgeben und so in Kontakt mit Kindern kommen. Zudem fehlt die Möglichkeit, im Netz Soforthilfe zu bekommen, vergleichbar mit der 110. „Ich denke an eine Art Notfall-Button, den man bei Unrecht im Netz betätigen kann, woraufhin eine geschulte Person das Gespräch übernimmt”, so Silke Müller. Die Lösung läge in der Unterstützung der Jugendlichen, nicht im Verbieten. Viele Eltern denken, das Problem sei die Zeit, die ihre Kinder mit dem Smartphone verbringen, weiß die Schulleiterin. Das eigentliche Problem seien aber die Inhalte, die in dieser Zeit konsumiert werden.

Wie schütze ich mein Kind vor Hass und Gewalt im Netz?

Der Schlüssel für eine sichere digitale Kinderwelt liegt in der Medienkompetenz des Kindes, der Eltern, der Gesellschaft. Ziel müsse es sein, die eigene Handlungskompetenz der Kinder zu fördern, statt Verbote auszusprechen. Müllers Tipps: „Begleiten Sie Ihr Kind bei seinen ersten Schritten im Netz. Dazu gehören gemeinsame Regeln und Gespräche. Wichtig ist, dass Kinder Ansprechpartner*innen haben, wenn im Netz etwas schief läuft. Deshalb sollten Eltern mit ihren Kindern auch über eine Vertrauenskette sprechen. Fragen Sie Ihr Kind: ‘Wenn du nicht mit mir reden kannst, wer wäre deine nächste Vertrauensperson?’” Zudem sollten Eltern die Netzwerke kennen, auf denen ihre Kinder unterwegs sind. Auch Onlinespiele sollte man immer selbst gespielt haben, um zu wissen, wo die Gefahren lauern. Außerdem rät sie Eltern, digitale Hilfsangebote zu nutzen: „Es gibt viele richtig gute Initiativen im Netz, die Eltern, Pädagog*innen und junge Menschen informatives und ansprechendes Material bieten. Ich finde auch, dass die fantastisch aufklärenden Spots der Telekom gegen Hass im Netz oder von Unilever zu toxischen Schönheitsidealen noch viel mehr Verbreitung finden sollten.”

Trotz aller Gefahren eröffne die Digitalisierung auch neue Chancen für ein sicheres Netz, betont Silke Müller: „Ich träume von einer digitalen Welt der Zukunft, in der KI zum Freund und Helfer geworden ist. Es gibt digitale Online-Wachen, die den User*innen bei Problemen zur Seite stehen. Hass, Gewalt und menschenverachtende Pornografie wird automatisch aus dem Netz gefiltert. Das Netz ist endlich wieder ein Raum des Wissens, macht Spaß, lädt ein zu Kreativität und vor allem zu einem friedlichen, respektvollen und toleranten Miteinander.”

Silke Müller war zu Gast auf der DigitalX 2023. Ihre eindringlichen Beispiele aus dem digitalem Alltag der Jugendlichen rüttelten das Publikum auf. Hier geht es zum Video-Mitschnitt: 

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Gegen Hass im Netz

Die Telekom kämpft für ein Netz ohne Hass, in dem alle respektvoll miteinander umgehen.

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