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Martina Morawietz

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Lieferketten-Gesetz: durchgehende Priorität für Menschenrechte und Umwelt

Am 1. Januar 2023 ist in Deutschland das Lieferketten-Gesetz in Kraft getreten. Verbraucher*innen wollen wissen, wie ein Produkt entstanden ist. Unternehmen müssen ihre Lieferketten genau checken. Wie Digitalisierung dabei helfen kann. 

Wir trinken Kaffee aus Südamerika. Unsere Handys enthalten seltene Erden aus China. Unsere T-Shirts werden in Asien produziert. Die Lieferkette für die Herstellung dieser Produkte umfasst viele Schritte, häufig außerhalb von Deutschland oder Europa: angefangen bei der Gewinnung von Rohstoffen bis zur Lieferung an den Verbraucher. Sie erfolgen nicht nur in den Werkshallen des Herstellers selbst, sondern auch bei dessen Zulieferern. Transporte und Lagerung gehören ebenso dazu. Viele dieser Produkte entstehen dabei unter schlechten Arbeitsbedingungen, teilweise sogar mit Kinder- oder Zwangsarbeit. Umweltschäden werden in Kauf genommen. Zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt hat die Bundesregierung im Sommer 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Es ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kann Zwangs- und Bußgelder verhängen.

Was ist das Ziel des Lieferketten-Gesetzes?
Seit wann ist das Gesetz in Kraft und für wen gilt es?
Welche Vorteile bringt das Lieferketten-Gesetz für Unternehmen? Welche für Verbraucher*innen?
Was müssen Unternehmen konkret beachten - einfach erklärt.
Unternehmen können aus ihrer Verantwortung heraus Dinge anstoßen – auf geht’s!
Wie kann ein Beispiel aussehen - ganz konkret? 
Europa: Wann kommt das EU-Lieferketten-Gesetz?
Wo gibt es den Gesetzestext und weitere Informationen?

Teepflückerin auf einer Plantage.

Bei der Herstellung vieler unserer Alltagsprodukte werden Menschenrechte verletzt und Umweltschäden verursacht. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll für faire Arbeitsbedingungen sorgen. © iStock ID: 853939272/Jennifer Watson

Was ist das Ziel des Lieferketten-Gesetzes?

Unser Wohlstand darf nicht auf Kosten der Menschenrechte und auf Umweltschäden beruhen. Verbraucher*innen fragen, wie die Waren hergestellt wurden, die sie konsumieren. Die Produktions-Bedingungen werden zum Kaufkriterium. Mit der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen eine Grundlage geschaffen, den globalen Fortschritt in Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen des Planeten zu gestalten. Dafür gibt es 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDG). Das Lieferketten-Gesetz berücksichtigt die Sorgfaltspflichten der Unternehmen in Bezug auf „menschenwürdige Arbeit für alle fördern“ (Ziel 8) und „für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen“ (Ziel 12)

Die Ziele des Gesetzes:

  • Das Lieferketten-Gesetz definiert die Pflichten der Unternehmen beim Schutz von grundlegenden Menschenrechten. Es zeigt auf, wie sie diesen in ihren Lieferketten nachkommen. Das Gesetz greift auch bei Umwelt-Schädigungen durch Unternehmen, wenn beispielsweise Menschrechte verletzt werden wie etwa durch vergiftetes Wasser. 
  • Das Gesetz verpflichtet die Unternehmen, über ihr Engagement Bericht zu erstatten.
  • Es stärkt die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern vor Gericht. Es ermöglicht, Schadensersatzansprüche in Deutschland geltend zu machen.

Seit wann ist das Gesetz in Kraft und für wen gilt es?

Das Gesetz ist seit dem 1. Januar 2023 in Kraft zunächst für Unternehmen in Deutschland mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Damit betrifft es etwa 900 Unternehmen. Ab 2024 gilt es ab 1.000 Mitarbeitende, also rund 4.800 Unternehmen in Deutschland. Es gilt auch für Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland, wenn diese 3.000 beziehungsweise 1.000 Mitarbeitende haben. Im eigenen Geschäftsbereich muss das Unternehmen mit Abhilfemaßnahmen die Verletzung der Menschenrechte beenden. Bei unmittelbaren Zulieferern, deren Zulieferung für die Herstellung des Produkts notwendig sind, muss das Unternehmen einen konkreten Plan zur Vermeidung und Minimierung erstellen. Bei mittelbaren Zulieferern, also Vertragspartnern in der Kette bis zum Rohstoff, muss das Unternehmen handeln, wenn es von einem möglichen Verstoß erfährt.

Welche Vorteile bringt das Lieferketten-Gesetz für Unternehmen? Welche für Verbraucher?

National einheitliche Vorschriften und Rechtssicherheit bringen den Unternehmen durchaus Vorteile: Alle bieten ihre Produkte und Dienstleistungen unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt an. Wichtiger noch: „Saubere“ Lieferketten liegen bei Verbraucher*innen und Investor*innen "im Trend". Fair Trade- und Bio-Siegel machen derartige Informationen verfügbar und erhöhen die Souveränität der Konsument*innen. 

Unternehmen positionieren sich durch ihr Engagement und transparente Informationen darüber. Durch ihre Nachfrage können sie eine Verbesserung der Situation der Menschenrechte und der Umweltbedingungen bewirken. Sie erschließen sich neue Zielgruppen, verzeichnen mehr Nachfrage und haben einen größeren Spielraum bei der Preisgestaltung. Kennen sie ihre Lieferketten gut, erhöhen sie ihre wirtschaftliche Resilienz im Fall von Krisen und werden widerstandsfähiger: Mit besserem Risikomanagement passen sie ihre Lieferketten leichter an. Gegenüber Analysten erzielen sie eine bessere Firmenbewertung und haben erleichterten Zugang zu Finanzierungen. Sie erreichen ihre Klima- und Unternehmensziele durch einen geringeren CO2-Ausstoß. In Zeiten von Fachkräftemangel nicht unerheblich: Sie binden engagierte Mitarbeiter*innen an ihr Unternehmen. 

Die Bürger*innen wünschen sich eine gerechtere Welt und wollen fair und nachhaltig leben. Dazu gehört für sie ein besserer Schutz der Menschenrechte und der Umwelt, bessere und faire Lebensbedingungen für alle. Nachhaltig produzierte Waren schonen die Umwelt, nicht nur für heutige, gerade für künftige Generationen. Offen zugängliche Informationen der Unternehmen bietet den Menschen die nötige Entscheidungshilfe beim Einkauf, für Reisen und auch für nachhaltige Investitionen.

Was müssen Unternehmen konkret beachten - einfach erklärt.

Vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt im Handel: Entsprechend ihrer Sorgfaltspflichten müssen Unternehmen ermitteln, inwieweit ihre Geschäftstätigkeit Menschenrechte verletzen kann. Sie müssen Verstößen vorbeugen beziehungsweise Abhilfe schaffen. Für Betroffene muss ein Beschwerdeverfahren eingerichtet werden. Das Gesetz will den Schutz der Menschenrechte im Rahmen der Möglichkeiten der Unternehmen verbessern. Geschäftsbeziehungen sollen nicht abgebrochen werden. Es sei denn, bei einer schwerwiegenden Verletzung konnten Maßnahmen zur Verbesserung nicht innerhalb einer Frist umgesetzt werden.

Wozu die Unternehmen verpflichtet werden: Die Sorgfaltspflichten im eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber unmittelbaren Zulieferern umfassen: 

  • Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie des Unternehmens,
  • regelmäßige Risikoanalysen, 
  • Einrichtung eines Risikomanagements, inklusive Präventions- oder Abhilfemaßnahmen, 
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens,
  • jährlich öffentliche Berichte zu etwaigen Risiken, den Maßnahmen und deren Wirkung sowie Erkenntnissen für künftige Maßnahmen.

Welche Sanktionen es gibt: Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überwacht die Durchsetzung des Gesetzes. Das Gesetz verlangt ein Bemühen der Unternehmen, es verpflichtet nicht zum Erfolg. Unternehmen müssen nachweisen, alles dafür getan zu haben, Risiken in der Lieferkette zu erkennen und Verletzungen zu vermeiden oder abzustellen. Das BAFA verhängt Zwangs- und Bußgelder: bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 Prozent des Jahresumsatzes, wenn das Unternehmen mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Ebenso droht ein bis zu dreijähriger Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge. 

Unternehmen können aus ihrer Verantwortung heraus Dinge anstoßen – auf geht’s!

Wichtig für die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist, dass Unternehmen sich nicht zurückziehen. Es gilt, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. Wenn man sich überlege, dass Deutschland der drittgrößte Importeur weltweit ist, könne der Einkauf mit seiner Nachfrage und mit seinen Beschaffungs-Entscheidungen ganz massiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen und Lieferanten auch ganz bewusst weiterentwickeln, meint Yvonne Jamal vom JARO Institut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Gehen größere Unternehmen so voran, werden kleine Unternehmen bei der Anpassung an die Veränderungen unterstützt. 

Wie kann ein Beispiel aussehen - ganz konkret?

In der Realität greifen Unternehmen auf Tausende oder gar Millionen von Vorprodukten zurück und unterhalten dazu umfangreiche Lieferantennetzwerke. Das Lieferanten-Management mit der zusätzlichen Menschenrechts-Komponente lässt sich so manuell nicht mehr bewerkstelligen – allzumal die erhobenen Daten ausgewertet und nachweisbar vorgehalten werden müssen. Hier hilft Digitalisierung, zum Beispiel die T-Systems-Komplett-Lösung auf Basis von ServiceNow. Abhängig von der zu prüfenden Lieferkette fällt der Prüfungsbedarf unterschiedlich aus: Bei Textilproduktion in Schwellen- und Entwicklungsländern bedarf es einer umfangreicheren Prüfung als bei Käseherstellung in der Schweiz. Eine Künstliche Intelligenz scannt Lieferantenverträge auf bestimmte Parameter wie Herkunftsländer und Warengruppen wie Herrenbekleidung, Lebensmittel und Kameras. Darauf basiert die Festlegung der erstmaligen Prüfungsart, der Häufigkeit und Tiefe. Interne und externe Informationen (zum Beispiel zu Auditierungen, Zertifikaten, Qualität der Zusammenarbeit) zu den Lieferanten werden kontinuierlich genutzt, um zu überprüfen, ob Prüfungsart, Häufigkeit und Prüftiefe noch angemessen ist. Bei Bedarf werden Sonderprüfungen als Aufgabe im System eingestellt. Dies kann entweder automatisch erfolgen durch obengenannte Parameter oder aufgrund von Hinweisen auf die Verletzung von Menschenrechten. 

Europa: Wann kommt das EU-Lieferketten-Gesetz?

Das EU-Lieferkettengesetz kommt. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich geeinigt. Das Gesetz betrachtet die gesamte Wertschöpfungskette, also alle etablierten direkt und indirekt bestehenden Geschäftsbeziehungen. Außerdem bekommen die Klimaziele von Paris ein höheres Gewicht. Unternehmen sollen auch haftbar gemacht werden können. 

Wo gibt es den Gesetzestext und weitere Informationen?

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat Infos zum Lieferketten-Gesetz hier gesammelt. 

Das Wichtigste auf einen Blick erklärt: Das Deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

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