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Martina Morawietz

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„Arbeit soll stärken, nicht schwächen“

Oliver Herrmann, Tribe Lead New Ways of Working bei der Telekom, erläutert im Interview, wie sich Arbeit im digitalen Zeitalter verändert. Und warum New Work mehr ist als nur Homeoffice.

Ist New Work die Arbeit der Zukunft? Es geht dabei letztlich doch nur um die Flexibilisierung von Arbeit.

Portrait-Foto von Oliver Hermann, Tribe Lead New Ways of Working Deutsche Telekom.

Oliver Herrmann, Tribe Lead New Ways of Working Deutsche Telekom. © Deutsche Telekom

Oliver Herrmann:  New Work geht im Ursprung auf Frijthof Bergmann zurück und ist damit mehr als Flexibilisierung. New Work, wie von Bergmann vor mehr als 20 Jahren bereits formuliert, ist eine umfassende sozialphilosophische Vision von Arbeit mit weitreichenden Zielen und eine Alternative zu Kapitalismus und Sozialismus. Arbeit muss dem Menschen seine Handlungsfreiheit geben und wirklich sinnstiftend sein. Bergmanns Ziele von New Work gehen jedoch weit über die Arbeitswelt hinaus, zum Beispiel, dass es weltweit keine Armut und keine Verschwendung von natürlichen Ressourcen gibt und die Zerstörung des Klimas aufhört. 

Treiber ist der Wunsch nach sinnvoller und selbstbestimmter Arbeit?

Oliver Herrmann: Ja. Und in einem Satz zusammengefasst ist New Work, die den Menschen stärkt und nicht schwächt. Aus der Wissenschaft wissen wir, dass die beiden wesentlichen Treiber dafür sind, dass Menschen selbstbestimmt arbeiten und für sich einen Sinn darin erkennen können. Wenn wir also sinnstiftend, unseren Kompetenzen gemäß und selbstbestimmt arbeiten können, resultieren daraus Zufriedenheit, Motivation und gute Geschäftsergebnisse. Darum geht es bei New Work.

Viele sprechen vom hybriden Arbeiten. Was ist darunter zu verstehen?

Oliver Herrmann: Aktuell wird der Terminus „hybrides Arbeiten“ vor allem verwendet, um zu beschreiben, dass und wie wir die Mischung aus stationärem Arbeiten im Büro und Remote-Arbeit organisieren. Darüber hinaus wird er häufig verwendet, um die Vereinbarkeit von agilem Arbeiten und klassischem Projektmanagement zu beschreiben. Wir sehen darin aber vor allem eine Stärkung der sogenannten asynchronen Arbeit. Das meint, dass Menschen an einem Thema zusammenarbeiten zu unterschiedlichen Zeiten – das reduziert den Aufwand für synchrone Meetings und zahlt auf New Work wie oben beschrieben ein. 

Wie sieht das konkret im Arbeitsalltag aus?

Oliver Herrmann: Im ersten Fall sehen wir drei unterschiedliche Szenarien. Zum einen, dass ein Teil der Kollegen im Büro ist und zusammenarbeitet. Zum anderen, dass Kollegen alle remote verteilt sitzen und zusammenarbeiten. Beide Fälle lassen sich relativ gut organisieren. Wir haben gut ausgestattete Büros und Collaboration, die uns erlauben, virtuell gut miteinander zu arbeiten. Die Koexistenz beider Formen wird zum Teil schon als hybrides Arbeiten bezeichnet. Wirklich hybrid und herausfordernd wird es dann, wenn ein Teil der Kollegen sich in einem Raum aufhält und ein anderer Teil sich remote dazuschaltet. Das erfordert eine exzellente technische Ausstattung des Raums, in dem sich die Kollegen aufhalten, also beispielsweise mehrere im Raum verteilte Mikrofone, Kameras, die sich automatisch auf den Sprechenden richten und so weiter. Außerdem eine enorme Disziplin der Kollegen: Am besten hat jeder zusätzlich noch die Kamera seines Notebooks an und ist stummgeschaltet, es gibt keine Nebengespräche, keine Dokumentation auf Flipcharts, kein Papierrascheln, keine Gläser in Mikrofonnähe. Das gelingt selbst den besten Teams selten richtig gut. Hier hat sich eher der Grundsatz „one person, one line“ bewährt, also jeder ist für sich remote eingewählt, sobald es Kollegen gibt, die nicht im Raum sein können. Deshalb empfehlen wir Teams, verstärkt auf die o.g. asynchrone Zusammenarbeit zu setzen und damit die gerade beschriebenen Herausforderungen der synchronen hybriden Zusammenarbeit zu umgehen. Die sich daraus ergebenden neuen Herausforderungen lassen sich leicht erlernen und meistern Teams, die zum Beispiel in unterschiedlichen Zeitzonen miteinander arbeiten, bereits seit Jahren.

Und wie sieht der zweite Fall aus? 

Oliver Herrmann: Im zweiten Fall, also bei der Vereinbarkeit von agilem und klassischem Arbeiten, ist es komplizierter, das Beste „aus beiden Welten“ effektiv zusammenzubringen. Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass in bestimmten Projektphasen die eine oder die andere Vorgehensweise angewendet wird. Gerade zu Beginn, wenn die Produktvision eventuell noch nicht so klar ist, könnte man beispielsweise mit einer agilen Vorgehensweise beginnen, die dann im Laufe der Entwicklung, wenn die Produktvision klar beschrieben ist, auf klassisch umgestellt wird. Oder man entwickelt Teile eines Produkts agil, etwa eine App, andere klassisch, zum Beispiel den Aufbau der notwendigen Cloud-Infrastruktur. Das Team sollte möglichst undogmatisch entscheiden, was am sinnvollsten ist. Was auf jeden Fall unterbleiben sollte ist, dass operative Teams agil arbeiten, aber das strategische Produktmanagement oder die Finanzplanung (um nur zwei Beispiele zu nennen), klassisch. Dann haben sie auf unterschiedlichen Ebenen im Unternehmen Prozesse, die nicht mehr ineinandergreifen und bekommen das schlechteste aus beiden Welten. Sie müssen, um den Vorteil des agilen Arbeitens zu bekommen, dieses über alle Ebenen im Unternehmen einführen. 

Wie müssen wir uns das neue Führen vorstellen?

Oliver Herrmann: Führung findet hier auf mehreren Ebenen statt, die gleichberechtigt sind: disziplinarisch wie fachlich. Wir benötigen die exzellenten technologischen Experten und Visionäre genauso wie hochempathische Teamleiter, die sich um die Entwicklung von Kompetenzen kümmern. Und Führung wird partizipativ werden, die Herausforderungen sind zu komplex, als dass sie eine Person alle bestmöglich bewältigen kann. Also werden situativ Führungsaufgaben von unterschiedlichen Rollen wahrgenommen. Es geht dann nicht nur um „führen“, sondern noch viel mehr um „geführt werden“. Wie gut führen wir uns selbst und lassen wir uns selbst führen? Und wie gut lassen wir los? Das Schwierigste an diesem veränderten Verhalten ist für „klassische Führungskräfte“ das Loslassen. Es fühlt sich merkwürdig an, wenn man nicht mehr ständig „gebraucht“ wird oder „alles (besser) weiß“. Und es erfordert eine Durchgängigkeit im Unternehmen, in der Führungskräfte nicht mehr danach beurteilt werden, ob sie zu allem auskunftsfähig sind und ob sie „alles im Griff“ haben. Schauen sie sich die sozialen Medien an: hier „führt“, wer die meisten „Follower“ hat. Junge Menschen erwarten genau das. Sie wollen Menschen, denen sie folgen können und wollen – das hat nicht mehr viel mit Hierarchien zu tun. 

Wie sieht unsere Arbeitswelt in fünf Jahren aus?

Oliver Herrmann: Fünf Jahre sind in unserer sich so rasant verändernden Welt eine kleine Ewigkeit. Schauen wir nur aus die rasante Entwicklung im Bereich KI. Dennoch werden einige Grundeigenschaften sich nicht ändern, da wir Menschen uns nicht so schnell in unseren Grundbedürfnissen ändern. Wir werden mehr Optionen bekommen, wann, wie und wo wir arbeiten. Die Grenze zwischen Arbeit und Privatem wird für den ein oder anderen noch mehr verschwinden. Wir werden mehr asynchron arbeiten, das heißt Abstimmungen und Informationsaustausch sind nicht an die Kernarbeitszeit gebunden, sondern werden über Tools transparent dokumentiert und zugänglich gemacht. Unsere Büros werden mehr zu Orten der Zusammenkunft, der Identitätsstiftung und des gemeinsamen Erarbeitens von komplexen Problemlösungen, das dann doch besser in extra dafür ausgelegten Kreativ- oder Technikräumen gelingt. Und KI wird der natürliche Begleiter für die meisten von uns sein. 

Besuchen Sie uns auf der Digital X 2023
Die Digital X kommt am 20. und 21. September 2023 wieder nach Köln. Mit Bühnen, Marktplätzen, Markenhäusern und hochkarätigen Redner*innen wird die Kölner Innenstadt auch 2023 zu einer Weltausstellung der Digitalisierung. Megatrends der Zukunft und digitale Lösungen werden erlebbar – u.a. in den Bereichen Zukunft der Arbeit, Digitalisierung der Unternehmen, Sicherheit oder Nachhaltigkeit. Die Digital X ist Europas größte branchenübergreifende Digitalisierungsinitiative. Organisiert von der Deutschen Telekom engagieren sich in ihr über 300 nationale und internationale Partner. Weitere Details finden Sie unter www.telekom.com/digitalx.

Telekom CEO Timotheus Höttges auf der Bühne bei der Digital X 2023.

Einfach erklärt: Was ist „Digital X“?

Ein Festival der Digitalisierung, für Unternehmer*innen - und alle anderen auch. Eine Stadt als Zukunftsmesse. Zwei Tage in Köln. Das ist die Digital X. 

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