

Telekom-Kundenservice: Besuch in der Schaltzentrale
Das Netz zu bauen und instand zu halten sind zwei wichtige Aufgaben der Telekom. Die Nutzer zu betreuen, ist eine weiter. Ein Blick in die Schaltzentrale des Kundenservices der Telekom, das Command Center. Die größten Herausforderungen: Blitze, Bagger und iPhones.
"Kundenservice? Nie erreichbar, wenn man ihn braucht!" Oder: "Das läuft total chaotisch. Immer habe ich jemand anderen an der Strippe." Das sind gängige Auffassungen über die Kundenservice-Einheiten von großen Unternehmen. Tatsächlich ist der Kundenservice messbar besser als sein Ruf und es steckt jede Menge Planung hinter einem guten Kundenservice.
Wenn man das Command Center betritt, wird der Blick sofort von der riesige Leinwand angezogen, die aus 24 einzelnen Bildschirmen besteht. Jeder für sich genommen so große wie ein XL-TV-Flachbildschirm.
Auf dieser Wand lesen die Mitarbeiter des Command Centers des Telekom Kundenservice den aktuellen Stand der bundesweiten Service-Situation ab: wie viele Anrufe, Emails, Faxe, Briefe und Kontakte über Social Media warten im Moment auf Antwort und wie viele Kundenberater können diese entgegennehmen und bearbeiten?
Größte Herausforderung ist das iPhone
Der Mann, der hier die Fäden zusammenhält, ist Lutz Glaser, Leiter des Command Centers in Bonn. Seine Mitarbeiter arbeiten jeden Werktag von 7:00 bis 21:00 Uhr – im Schichtbetrieb versteht sich. Auch an Wochenenden und Feiertagen sind die Mitarbeiter im Command Center im Einsatz. Ein Schichtplan sorgt dafür, dass immer genügend Personal an Bord ist: Wenn ein studentischer Mitarbeiter neben den Vorlesungen etwa nur mittwochs- oder freitagnachmittags zur Verfügung steht oder ein Mitarbeiter nur in Teilzeit arbeiten kann, dann muss das eingeplant werden. Die Mitarbeiter in Bonn überwachen den täglichen Bedarf und kalkulieren ihn im Notfall neu. Erstellt wird die Bedarfskurve natürlich schon im Voraus von den benachbarten Abteilungen Forecasting und Scheduling. Aber ein Puffer für Notfälle ist immer einkalkuliert.
Die Bedarfskurve verlaufe je nach Servicebereich, besonderen Ereignissen oder der Jahreszeit höchst unterschiedlich, erklärt Glaser. "Bei einem Gewitter können Sie mit fünf- bis zehntausend Störungen rechnen." Blitze in Elektroleitungen etwa oder Starkregen, der Kurzschlüsse verursacht. Die Gewitter-Saison von Juni bis September ist die zweitgrößte Herausforderung für das Workforce Management – gleich nach dem iPhone. Denn jedes Jahr im Herbst, wenn Apple das jeweils neueste Modell des begehrten Smartphones vorstellt, lassen sich die Kunden nicht zweimal bitten und bestellen das Gerät gleich am ersten Tag hunderttausendfach vor.
Tägliche Störungsmeldungen sind normal
Weil gerade Unwetter eine wichtige Rolle spielen, läuft auf einem der 24 Screens der Leinwand stets ein Regenradar für das ganze Bundesgebiet. Daneben zeigen zwei Bildschirme Tweets an den Social-Media-Account @Telekom_hilft an. Auf Twitter und über andere Social Media Kanäle erfahren die Mitarbeiter oft am schnellsten, wenn es irgendwo hakt.
Das Netz ist ständig in Bewegung. "Kleinere Probleme gibt es immer", sagt Glaser. Kein Grund zur Besorgnis, solange die Flecken auf der Karte nicht rot sind. Und wenn das der Fall ist? "Dann haben wir eine große Störung und hier steht kaum noch ein Telefon still".
Ein rotes Telefon und nur 20 Sekunden
Auch nicht das rote Telefon, das mahnend neben der großen Leinwand aufgebaut ist. Mehr als eine Metapher übrigens: Das Telefon ist tatsächlich rot, wie das Krisentelefon, das im Kalten Krieg für den heißen Draht zwischen den USA und der Sowjetunion eingesetzt wurde.
Der Zweck ist im Command Center ein ähnlicher: Hier meldet sich der Krisenstab persönlich, wenn etwas schiefläuft. Um einmal zu demonstrieren, was dann passiert, wählt Glaser von seinem Smartphone aus die Nummer eben jenes roten Telefons. "Oh oh!", entwischt es einer Mitarbeiterin sofort, als es klingelt. "Keine Sorge", entwarnt Glaser lachend. "Das bin nur ich."
Auf den übrigen Bildschirmen der Leinwand sind Tachos dargestellt. Jeder davon zeigt die aktuelle Auslastung der einzelnen Servicebereiche wie Neukundenbetreuung, Festnetz oder Kundenbindung Mobilfunk an. Und sie zeigen an, wie viele Anrufer innerhalb der 20-Sekunden-Frist liegen – denn 20 Sekunden Wartezeit sind das Ziel für einen Großteil der Kundenanrufe. Nach eben dieser kurzen Wartezeit in der Schleife soll ein Kunde mit einem Mitarbeiter verbunden werden, der sein Anliegen entgegennimmt und löst. Im Durchschnitt warten die Kunden der Telekom etwa ein bis zwei Minuten. Der Großteil der Emails wird innerhalb von zwei Stunden beantwortet.
Das ist der Qualitätsanspruch im Kundenservice der Telekom – der immer wieder durch Naturereignisse, Störungen und andere Ereignisse, die hohe Anruferzahlen auslösen, getestet werden. Und eine Regel gilt im telefonischen Service ganz besonders: wenn es schlecht läuft, läuft es besonders schlecht: Kunden die nicht zum Berater durchkommen rufen mehrmals an, schicken dazu noch Emails, Faxe und Briefe. Damit vervielfachen sich die Kundenanliegen in kurzer Zeit, da jeder Kontaktversuch vom Kundenservice bearbeitet werden muss, auch wenn sich dann herausstellt, dass das Anliegen schon gelöst werden konnte.
Selbsthilfe-Ansage für Anrufer
Doch nicht immer ist eine Bearbeitung durch einen Berater notwendig: Liegt am Wohnort des Kunden eine lokale Störung vor, geben die Mitarbeiter Command Centers eine Hinweisansage aus. Die informiert den Anrufer mit Hilfe einer automatischen Ansage über ein bestehendes Problem – und hat nicht selten auch gleich eine Lösung parat hat, wie die Empfehlung, den Router neu zu starten. Für viele Anrufer ist das Problem damit schon gelöst ohne das sie länger warten müssen. Gerade bei größeren Störungen entlasten Hinweisansagen aber auch den Service ungemein.
Auf jedem Rechner der Center Mitarbeiter laufen die Daten noch einmal in einer übersichtlichen Matrix zusammen. Eine Mitarbeiterin zeigt uns einen Bereich, in dem gerade 60 Prozent der Kunden innerhalb von 20 Sekunden betreut werden; das Halbstundenintervall liegt etwas darunter. Beides sind dennoch nahezu optimale Werte, denn die Mitarbeiter haben die Aufgabe, hier die Balance zu finden. Fällt der Wert zu stark, dann sinken Kundenzufriedenheit, Service-Qualität und damit der Ruf des Kundenservice. Allerdings wären 100 Prozent innerhalb der 20-Sekunden-Regel nicht wirtschaftlich. Die Kundenberater hätten zu viele Leerzeiten, wären nicht ausgelastet, die Personalkosten würden steigen. Optimal ist also ein Wert um 70 Prozent.
Personalplanung ein Jahr im Voraus
Workforce Management oder kurz WFM nennt sich der Gesamtbereich, der sich um die Personalplanung im Kundenservice kümmert. Das Command Center ist ihre Schaltzentrale. Und ihre Herausforderung ist nicht gering, gilt es doch 15.000 Kundenberater an 36 Standorten in 8 Segmenten von Neukunden bis Großkunden zu betreuen. Doch damit nicht genug: Die Telekom verkauft nicht einfach Bücher über das Internet. Telekommunikation sind technisch hochkomplexe Produkte und Dienste zu denen der Telekom telefonischen und schriftlichen Kundenservice bietet. So kann nicht jeder Kundenberater jeden Service bieten. Der Wechsel von einem Anbieter zu einem anderen und ein Umzug zum Beispiel erfordern eine Vielzahl von zeitlich auseinander gezogenen Arbeitsschritten beim Kundenservice. Die Beratung zu einem Mobilfunktarif ist da deutlich einfacher. Oder, eine telefonische Ende-zu-Ende Diagnose eines Telefonanschlusses erfordert ein anderes Expertenwissen als die Beratung zu Smart Home Produkten und deren Anschluss.
Vier Abteilungen sorgen für die reibungslose Abwicklung des Service: Das Forecasting ermittelt den Personalbedarf auf 52, 8 und 4 Wochen im Voraus, das Scheduling erstellt daraus auf Basis von Schichtrahmenplänen und gut 80 verschiedenen Arbeitszeitmodellen die Schichtpläne dafür. Das Design betreut, entwickelt und verbessert die technische Plattform, das elektronische Workforcemanagement. Und das Intra-Day Performance Management schließlich, zu dem auch das Command Center gehört, ist das wachsame Auge über den Verlauf der Umsetzung. Es überwacht also laufend, ob für jeden Anrufer genug Servicekraft zur Verfügung steht. Gerät dieses Verhältnis in Schieflage, greifen die Mitarbeiter hier ein.
Stufe 2: "Volle Konzentration"
Aber was genau passiert, wenn nun eine unvorhergesehene Störung auftritt, tausende Kunden zum Hörer greifen, die Gesamterreichbarkeit rapide abnimmt? "Dann greift unser Drei-Stufen-Modell", erklärt Glaser. Zunächst werden Hinweisansagen geschaltet. Mitarbeiter aus weniger kritischen Servicebereichen greifen ihren Kollegen unter die Arme. Wer etwa sonst Neukunden betreut, kümmert sich in solch einem Notfall nun um Anrufe besorgter Kunden. Reicht das nicht, greift Stufe 2: Die Aufgaben der bereits aktiven Mitarbeiter werden umgeschichtet. Alle sollen nun kurzfristige Pausen, Teammeetings und ähnliches möglichst vermeiden und sich ganz den Anrufern widmen. Es herrscht volle Konzentration. Ausgehende Telefonate werden zurückgestellt, ebenso andere schriftliche Tätigkeiten der Berater, wie Rechnungsanliegen oder Gutschriften.
Alltägliche Highlights
Wenn auch das nicht reicht, muss Stufe 3 zünden: Mehr Mitarbeiter an die telefonische Hotline. Das Command Center bestellt zusätzliche Kapazitäten bei externen Dienstleistern. Interne Springer können in besonders dringenden Fällen binnen drei Stunden aktiviert werden. Hier gibt es keine Stellrädchen oder automatische Verteilungen, wie mir eine Mitarbeiterin zeigt. Die Anfrage nach maximaler Callabnahme geht – für die spätere Rechnungserstellung – per E-Mail an ein externes Servicecenter mit Betreffzeilen wie "Ab sofort mit maximaler Produktivität" heraus. Zusätzlich wird die Koordination des betreffenden externen Servicecenters zur Sicherheit noch einmal angerufen. Sehr hohe Anrufaufkommen, oder wie es intern heißt, "Highlights", kommen in unterschiedlicher Intensität mehrmals die Woche vor, erklärt Glaser.
Bei durchschnittlich über 400.000 Kundenkontakten am Tag sind die Gründe für Highlights vielfältig: zum Beispiel, weil ein Bagger bei Bauarbeiten ein Kabel beschädigt oder aufgrund von extremen Wetterereignissen. Die meisten Spitzen bei Kundenkontakten können aber im Voraus geplant werden: Feiertage, Ferienzeiten oder Verkaufsaktionen der Telekom. Bei über 21 Millionen Festnetzanschlüssen und über 22 Millionen Mobilfunkkunden der Telekom in Deutschland kann es aber immer wieder zu Schwankungen und Abweichungen von der Planung kommen.
Fazit: Wer glaubt, dass Kundenservice allein darin besteht, eine bestimmte Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ein Thema zu schulen und an ein paar Telefone freizuhalten, der springt zu kurz. Die Steuerung eines guten Kundenservice ist eine komplexe Aufgabe, die ständig neue Herausforderungen schafft und ein gutes Management verlangt.