Sprache mit 5G: Das Telefonieren von morgen
5G ist in aller Munde. Aber das mobile Telefonieren – also der Sprachanruf – funktioniert zurzeit in Deutschland nach wie vor mit 4G bzw. mit „Voice over LTE“ – kurz VoLTE. Diese Technik hat seit 2015 für bessere Sprachqualität, schnelleren Rufaufbau und stabilere Verbindungen gesorgt. Aber wie immer gilt: Das Bessere ist des Guten Feind. Deshalb steht nun Sprachübertragung mit 5G vor dem Start. Im 5G-Testgebiet der Telekom in Merseburg in Sachsen-Anhalt funktioniert das schon. Die Zukunft des Telefonierens startet in Deutschland in der Stadt, die als Wiege des Deutschen gilt.
Die Geheimformeln beim 5G-Sprachtest
Weil 5G unter Experten als „New Radio“ bezeichnet wird, hat auch das Telefonieren im neuen Netz ein neues Kürzel: „VoNR“ steht für „Voice over New Radio“. Beim Test in Merseburg kommen geheimnisvolle Formeln zum Einsatz, die an den legendären Satz „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“ erinnern. Ihn hat der deutsche Fernsprech-Pionier Johann Philipp Reis 1861 beim ersten Telefonat der Welt ins Mikrofon gesprochen. Bei Kevin Pascal Neeb, Netz-Entwicklungsplaner bei der Telekom-Technik und seinem Kollege von der Funknetzplanung, Michael Hesse, lauten die beiden Formeln „Sekunden entscheiden über Leben“ und „Im Fernsehen wurde alles gezeigt“.
Experte Neeb erklärt, was dahintersteckt: „Es gibt verschiedene Voice Samples in verschiedenen Sprachen. Die werden dann gesprochen. Und auf der Gegenseite wird über eine MOS-Skala gemessen, wie gut die Sprachqualität ist.“ Das Kürzel steht für „Mean Opinion Score.“ Das ist eine international gültige Bewertung, die die Qualität von Sprachübertragung mit Punkten von 1 (mangelhaft) bis 5 (ausgezeichnet) misst. In Merseburg scheint es Richtung 5 zu gehen, denn die beiden Techniker bestätigen sich gegenseitig „Sehr gut, alles verstanden“ und „Ja cool, auch super verstanden“.
Messen in Merseburg
Das 5G-Telefonieren in Sachsen-Anhalt funktioniert auch in der dicht besiedelten Altstadt von Merseburg bestens. Kevin Pascal Neeb schildert, wie die Tests ablaufen: „Wir haben ein Messfahrzeug, mit dem wir durch das Testgebiet fahren. Außerdem führen wir Messungen an verschiedenen Punkten innerhalb unseres Testgebietes durch.“ Im Stadtgebiet wurden dafür neun Mobilfunkantennen aufgestellt, die im 5G- bzw. New-Radio-Spektrum bei 3,6 Gigahertz senden. Vier Small-Cells-Standorte, die hohe Bandbreiten an besonders stark belebten Örtlichkeiten ermöglichen, kommen obendrauf. Der Test ist ein wichtiger Schritt, um 5G künftig noch intensiver und flexibler nutzen zu können, so Techniker Michael Hesse: „In Zukunft ist angedacht, das 5G-Kernnetz aufzubauen, um alle Dienste darüber abzubilden, wie zum Beispiel LTE und 5G.“ Das dient nicht nur dem Telefonieren übers 5G-Netz, sondern auch dazu, um künftig weitere neue 5G-Funktionen einzuführen.
5G bald ohne Huckepack
Bisher dient 5G ausschließlich für die Datenübertragung – aber noch nicht für Sprache. Warum das so ist, lässt sich relativ leicht erklären: Um 5G so schnell zu den Kunden zu bringen, wie das noch bei keinem neuen Mobilfunknetz der Fall war, setzen Provider wie die Telekom seit 2019 auf 5G Non-Standalone (5G NSA). Bei dieser Technik sorgt zwar bereits 5G für enorm schnelle Datenverbindungen mit einem Gigabit pro Sekunde und mehr. Aber die technische Basis besteht nach wie vor aus dem Kernnetz von LTE, das für viele Funktionen vom Verbindungsaufbau bis zur Anmeldung der Nutzer im Netz sorgt. Erst mit dem künftigen Standard 5G Standalone (5G SA), der jetzt vor der Einführung steht, braucht 5G das LTE-Huckepack nicht mehr und steht dann quasi komplett auf eigenen Beinen. „Deswegen können wir jetzt erst Voice over New Radio testen, weil wir jetzt erst die Technik dafür haben“, erklärt Telekom-Techniker Kevin Pascal Neeb.
Das haben die Kunden davon
VoNR, also das neue 5G-Telefonieren, soll die Nase technisch noch weiter VoRN haben als der Vorgänger Voice over LTE. Kevin Pascal Neeb stellt eine noch bessere Sprachqualität in Aussicht. Außerdem reduzieren sich auch die Zeiten für den Rufaufbau. Und die Sprachverbindung muss nicht mehr automatisch zurück zu LTE wechseln, wenn parallel über 5G Daten ausgetauscht werden. Denn das neue Netz kann beides gleichzeitig.
Warum gerade Merseburg?
Bereits seit vier Jahren ist die Domstadt Merseburg im südlichen Sachsen-Anhalt mit ihren rund 34.000 Einwohnern 5G-Testgebiet der Deutschen Telekom. „Merseburg haben wir uns ausgesucht, weil es sich super für unsere Mobilfunk-Tests eignet. Es bietet innerstädtische Szenarien, aber auch ländliche Bereiche, was uns bei der Mobilfunkplanung natürlich sehr interessiert“, sagt Telekom-Techniker Kevin Pascal Neeb.
Hübscher Nebenaspekt für den Telefon-Test ist, dass in Merseburg die deutsche Sprache quasi ihren Ursprung hat. Denn hier wurden 1841 die „Merseburger Zaubersprüche“ entdeckt. Sie zählen zu den wenigen auf Althochdeutsch überlieferten Texten mit Bezug auf die vorchristliche germanische Mythologie. Die heidnischen Beschwörungsformeln drehen sich um die Befreiung von Gefangenen aus ihren Fesseln und um das Kurieren von Pferden, die am Fuß verletzt sind. Auf aktuelles Deutsch übersetzt, klingt einer der Zaubersprüche so:
„Da besang ihn Wodan, so wie er es gut verstand:
Wenn Knochenrenkung, wenn Blutrenkung,
wenn Gelenkrenkung: Knochen zu Knochen,
Blut zu Blut, Glied zu Glied!
So seien sie zusammengefügt!“
Auch diese Sätze hätten sich in Merseburg perfekt zum Testen der 5G-Sprachqualität geeignet. Wobei: Auch das kurierte Pferd frisst keinen Gurkensalat. So oder so: Die Zaubersprüche sind Vergangenheit, das neue 5G-Telefonieren ist die Zukunft. Simsalabimmel, klarer und schneller denn je.
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5G Standalone: Das schnellste Netz macht sich selbstständig
Der Ausbau des 5G-Netzes schreitet weiter voran. Bereits zwei Drittel der Bevölkerung wird mit 5G versorgt. Doch damit ist der Ausbau noch nicht am Ende. In Garching bei München hat die Deutsche Telekom den erste 5G Standalone Standort in Betrieb genommen. In Bamberg sogar den ersten 5G Core Standort.