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Georg von Wagner

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Warum Nemsdorf-Göhrendorf freiwillig im Funkloch bleibt

Gibt's doch gar nicht! Eine Gemeinde, die freiwillig im Mobilfunkloch bleiben will? Gibt's doch: Nemsdorf-Göhrendorf. Was dahinter steckt, verraten wir hier.

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In Nemsdorf Göhrendorf gibt es keine ausreichende Mobilfunkversorgung.

Im Allgemeinen sind Löcher ja höchst unbeliebt. Ein Loch im Fahrradreifen, in der Haushaltskasse oder im Dach, durch das es reinregnet – das braucht niemand. Auch wenig populär sind Funklöcher. Gemeinden in ganz Deutschland, die immer noch schlecht mit Mobilfunk versorgt sind, hoffen, dass sich ihr Funkloch so bald wie möglich schließt.

Damit das klappt, nimmt die Deutsche Telekom jedes Jahr rund 2.000 neue Mobilfunkanlagen in Betrieb. Und sie bringt mit der Aktion „Wir jagen Funklöcher“ weitere 280 Gemeinden ans Netz. Doch damit will die Telekom das Engagement von Kommunen belohnen, die sich aktiv bei ihr bewerben, und die einen passenden Standort vorschlagen.

Die Funklochjagd läuft höchst erfolgreich. Doch nun ist es erstmals passiert, dass eine Gemeinde ihr „Mobilfunkgeschenk“ zurückgibt und lieber freiwillig im Funkloch bleibt, zum Verdruss vieler Bürger. Der Ort, der Handyempfang nicht einmal geschenkt haben will, heißt Nemsdorf-Göhrendorf und liegt in Sachsen-Anhalt.

Ein Mobilfunkloch, das bleiben soll

Wo genau Nemsdorf-Göhrendorf liegt, nämlich gut 40 Kilometer südwestlich von Halle an der Saale, könnte man googeln – außer, man ist gerade selbst in Nemsdorf-Göhrendorf, und will mit dem Smartphone nachschauen. Das klappt nicht, denn vor Ort gibt es keinen Mobilfunkempfang. Dort befindet sich ein ausgedehntes Funkloch – und das soll nach dem Willen der örtlichen Politik auch so bleiben.

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Torsten Prinz ist Tischlermeister in Nemsdorf-Göhrendorf.

Dabei hätte die strukturschwache Gegend das mobile Internet dringend nötig. Geschäftsleute, Pendler oder Einsatzkräfte warten dringend auf den Sprung aus der digitalen Steinzeit. „Das ist ein Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz“, klagt der ortsansässige Tischlermeister Torsten Prinz. Der Bedarf ist so groß, dass Nemsdorf-Göhrendorf bei der Aktion „Wir jagen Funklöcher“ aus über 500 Bewerbern ausgewählt wurde – und auf Kosten der Deutschen Telekom einen über 100.000 Euro teuren Mobilfunkstandort bekommen sollte.

Die Vorbereitungen für einen Mobilfunkstandort liefen schon

Die Gemeinde hatte sich selbst bei der Telekom beworben, um das leidige Funkloch bis Ende 2020 endlich zu schließen, mit schnellen bis zu 150 Megabit LTE pro Sekunde. Der Gemeinderatsbeschluss zum Bau lag vor. Es gab mit dem Dach des Kulturhauses auch schon einen Standort, der technisch perfekt gepasst hätte, um den kompletten Ort zu versorgen. Und die Planungen der Telekom waren weit fortgeschritten.

Dann kam der Baustopp – aufgrund einer Mail der Gemeinde: Man habe, Bedenken wegen des Standortes und wegen der elektromagnetischen Wellen. Außerdem seien die Mieteinnahmen für die Überlassung des Platzes auf dem Kulturhaus zu gering. Wie verärgert sind die Einwohner?

Tischlermeister Torsten Prinz war völlig überrascht von dem Beschluss, dessen Hintergründe bis heute nicht ganz klar sind: „Ich habe davon erst durch den Anruf eines Redakteurs der Mitteldeutschen Zeitung erfahren. Vorher war mir das überhaupt nicht bekannt. Und ich war total entsetzt, dass es so etwas gibt, ohne dass man die Bürger, die Handwerker und Gewerbetreibenden im Ort informiert. Man hätte im Gespräch eine Lösung finden können, und nicht einfach absagen.“

Er bräuchte für sein Geschäft dringend Mobilfunk, zum Beispiel auf seinen Baustellen. „Wir brauchen Kontakt untereinander, es gibt ständig Probleme zu lösen.“ Doch ein Handbuch oder eine Gebrauchsanleitung, zum Beispiel für einen Garagentorantrieb, lässt sich in Nemsdorf-Göhrendorf mit dem Smartphone nicht laden. Und die Kunden, die zum Beispiel aus Halle und Leipzig zu ihm in die Tischlerei kommen, wollen ihm am Handy Bilder und Beispiele zeigen, wie sie sich eine Arbeit vorstellen. Auch das funktioniert nicht. „Die gucken uns dann immer ganz fragend an, die wussten gar nicht, dass so etwas heute noch möglich ist.“

Was sagt der Dunkle Parabelritter zum Funkloch?

Alexander Prinz ist Sachsen-Anhalts bekanntester und erfolgreichster YouTuber. Er betreibt den Heavy-Metal-Kanal „Der Dunkle Parabelritter“ mit rund 172.000 Abonnenten. Doch von seinem Heimatort Nemsdorf-Göhrendorf aus kann er keine Videos mobil ins Netz laden.

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Alexander Prinz ist auf YouTube als "Der Dunkle Parabelritter" bekannt.

Ihn macht die Entscheidung der Gemeinde fassungslos: „Ich finde das absolut unbegreiflich. Ich kann mir auch keine wirklich fundierte Begründung dafür vorstellen.“ Der 25-Jährige kommt viel rum, und hat den Vergleich mit den abgelegensten Regionen Europas: „Ich hatte mal einen Unfall in Slowenien, irgendwo in den Bergen, mitten im Nirgendwo, da hatte ich perfektes Internet. Ich war schon in Lappland unterwegs. Und selbst da hatte ich besseres Internet als hier, mitten in Deutschland, in Mitteldeutschland.“

Er flüchtete schon vor Jahren vor dem Funkloch: „Mein ganzes Arbeiten war in Nemsdorf-Göhrendorf nicht möglich. Ich musste nach Halle ziehen, weil die Anbindung hier zu schlecht ist. Und dementsprechend kann ich mir vorstellen, wie das für künftige Generationen, die hier in Nemsdorf-Göhrendorf leben und arbeiten wollen, ein großer Standort-Nachteil ist.“

Was steckt hinter dem „freiwilligen Funkloch“?

Seit dem Beschluss der Gemeinde, sich an der Funkloch-Jagd der Telekom zu beteiligen und den Standort zu bauen, hat sich an der Faktenlage nichts geändert. Zu den gesundheitlichen Bedenken kommt offenbar noch die Unzufriedenheit mit den Einnahmen durch die Vermietung des Standorts an die Telekom. Schließlich bekomme der Nachbarort mehr als einen Euro.

Tischlermeister Torsten Prinz wunderts: „Der Gedanke, für ein Geschenk auch noch Miete zu kassieren, ist für mich als normal denkender Mitteleuropäer erstmal nicht nachvollziehbar.“

Wie geht es weiter mit dem Mobilfunkloch?

Alexander Prinz, der Dunkle Parabelritter, hofft, dass sich die Entscheidung fürs Mobilfunkloch auf der nächsten Gemeinderatssitzung doch noch revidieren lässt: „Es geht jetzt nicht nur darum, gleich eine Firma aufzumachen. Es geht allein schon darum, zu kommunizieren, eine direkte Verbindung zu seinen Mitmenschen zu haben, und an die Kultur angeschlossen zu sein.“

Auch Tischlermeister Prinz hat noch nicht aufgegeben: „Nach dem Erscheinen des Artikels in der Mitteldeutschen Zeitung habe ich jede Menge Resonanz erhalten – und zwar nicht von Gegnern des Funkmastes, sondern von Befürwortern. Und die haben sich genauso verständnislos geäußert wie ich.“ Er und seine Mitstreiter wollen bei der Gemeinderatssitzung noch einmal das Gespräch suchen, und „doch noch eine Wende herbeiführen“.

Die Telekom ist nach wie vor willens, das bereits begonnene Projekt fortzusetzen, und die digitale Steinzeit in Nemsdorf-Göhrendorf zu beenden.

 Besuch beim Funkloch in Nemsdorf-Göhrendorf im Video

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Hier jagen wir gerade Funklöcher

Die Aktion "Wir jagen Funklöcher" der Deutschen Telekom läuft. In diesem Beitrag halten wir wichtige Fortschritte fest.

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