Kickelhahn: Funkturm mit SED-Vergangenheit
Der Funkturm auf dem Kickelhahn hat eine SED-Vergangenheit. Er war ursprünglich nicht für die zivile Nutzung gedacht, sondern diente der Sicherstellung der Kommunikation innerhalb der Staatspartei SED (Sozialistische Einheitspartei) im Krisenfall.
Manchmal nehmen Geschichten eine unvermutete Wendung: Ich bin auf den Funkturm am Kickelhahn durch die „Zeitzeichen“-Sendung vom 12. Februar 2016 aufmerksam geworden. Der Beitrag entstand aus Anlass des 240. Geburtstags des wohl bekanntesten Gedichts von Johann Wolfgang Goethe: „Wanderers Nachtlied“. Am Rande wurde hier ein Funkturm der Telekom erwähnt, der auf dem Kickelhahn steht.
Ich habe daraufhin mit den Kollegen von der Deutschen Funkturm Kontakt aufgenommen. Der Objektmanager Frank Schilonka hat mir dann erzählt, dass der Turm abseits von Goethe eine ganz eigene Geschichte hat. Schilonka ist die Art von Telekom-Mitarbeiter, die man in der Technik immer wieder trifft. Menschen, für die ihre Arbeit nicht nur ein 9-to-5-Job ist, sondern die Herzblut investieren. Er hat die Geschichte der Fernmeldetürme in der ehemaligen DDR unter die Lupe genommen, hat Archive besucht und mit Zeitzeugen gesprochen. Er kennt die Geschichte seiner Türme.
SED-Richtfunknetz war Reaktion auf den 17. Juni
Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 beschloss die SED (Sozialistische Einheitspartei) den Aufbau eines geschützten und unabhängigen Nachrichtennetzes, um das Zentralkomitee (ZK) der SED mit den 15 SED-Bezirksleitungen zu verbinden. Dafür wurden Spezialisten aus Wirtschaft und Post zur Abteilung Fernmeldewesen im ZK der SED abgeworben. Ziel war die Planung und Errichtung eines Richtfunknetzes, das gegenüber einem drahtgebundenen Netz schneller und aufgrund der hohen Geheimhaltung unauffälliger realisiert werden konnte.
1957 wurde mit dem Aufbau der Netzebene 1 begonnen. Knapp 50 Richtfunkstandorte wurden dafür gebaut. Diese Standorte waren immer mit einem Dispachter besetzt, der die Übertragungstechnik im Auge behielt, und mit Polizeikräften zum Schutz der Türme.
Anfang der 60er wurde das Netz um die Ebene 2 erweitert. 21 sogenannte B-Objekte wurden aufgebaut. Eines dieser B-Objekte war der Funkturm auf dem Kickelhahn. Dieser Turm-Typ war nicht ständig besetzt und wurde durch einen Signalzaun gesichert. Durch die Netzebene 2 wurden die Kreisleitungen an das SED-Richtfunknetz angeschlossen. Jede SED-Kreisleitung wurde mit zwei Fernsprech- und Fernschreibkanälen an das Netz angebunden.
Das SED-Richtfunknetz wurde auch dazu genutzt, um Publikationen wie das Zentralorgan der Partei, die Tageszeitung „Neues Deutschland“ an die Bezirksdruckereien zu verteilen. Die Übertragung einer Zeitungsseite dauerte damals rund zehn Minuten.
Mitte der 80er Jahre beginnt die zivile Nutzung
Es dauerte bis 1984, ehe die Türme für eine zivile Nutzung freigegeben wurden. Sie gingen damals in den Besitz der Deutschen Post über. Der Fernmeldeverkehr von Nationaler Volksarmee und SED wurde ab diesem Zeitpunkt über Erdkabel geführt. Die Türme wurden nun für die Übertragung von Radio- und Fernsehsignalen genutzt.
Nach der Wende 1989 gingen die Türme in den Besitz der Deutschen Bundespost/Telekom über.
Der Funkturm auf dem Kickelhahn versorgt heute Ilmenau und das Umland mit Mobilfunk. Damit hat der Turm, der einst für den Machterhalt einer politischen Partei gebaut wurde, eine Nutzung erhalten, die allen zu Gute kommt. Ein versöhnlicher Abschluss für eine wechselvolle Geschichte.