Ist die Telekom unfair, Srini Gopalan?
Deutschland ist auf dem Weg zum Glasfaserland: Bis 2030 sollen alle Haushalte die Möglichkeit für einen Glasfaseranschlusses erhalten. Viele Unternehmen sind beim Ausbau aktiv. Doch gerade der Telekom wird dabei immer mal wieder Unfairness vorgeworfen. Höchste Zeit, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Die Telekom macht Dampf beim Glasfaserausbau. Bis 2030 investieren wir in Deutschland 30 Milliarden Euro in den Ausbau der schnellen Netze mit Fiber-to-the-home (FTTH). Allein in diesem Jahr werden bis zu drei Millionen weitere Haushalte und Unternehmen einen Glasfaseranschluss von der Telekom bekommen können. Doch das gefällt nicht allen. Die Telekom, so der Vorwurf, dränge mit ihrem Ausbau andere Wettbewerber aus dem Markt. Dadurch werde der Glasfaserausbau insgesamt verlangsamt. Rufe nach Regulierung werden laut.
Doch ist es wahr, dass der Glasfaserausbau der Telekom für Wettbewerber unerwartet kommt? Srini Gopalan hat als CEO der Telekom Deutschland täglich mit dem Thema Glasfaser zu tun und er verneint die Frage. „Wir modernisieren unser Netz seit 2012. Damals haben wir mit Vectoring als Brückentechnologie ins Glasfaserzeitalter angefangen, also Glasfaser bis zu den Verteilerkästen gebaut. Jetzt bringen wir die Glasfaser noch näher zu unseren Kunden und bauen die letzte Meile hinein in die Häuser und Wohnungen. Wir sprechen hier im Durchschnitt von 200 bis 400 Metern. Das sollte für niemanden unerwartet kommen. Deswegen überrascht mich die Überraschung, die teilweise geäußert wird.“
Wettbewerb ist gut für Kunden, Monopole dagegen nicht
Fast automatisch führt das Thema zu einer Wettbewerbsdiskussion. Etwa 300 Unternehmen mischen inzwischen in Deutschland beim flächendeckenden Glasfaserausbau mit. Das ist auf den ersten Blick gut, denn diese Aufgabe kann kein Unternehmen allein stemmen. Die Anbieter sind dabei aber sehr unterschiedlich. Es gibt nur wenige bundesweit ausbauende Unternehmen, hingegen viele regionale Anbieter und Stadtwerke, die vor Ort gut verwurzelt sind. Seit einigen Jahren auch ganz neue Akteure – investorengetriebene Firmen mit viel Geld von ausländischen Anlegern. Letztere haben in besonderem Maße Renditedruck – und wenig Zeit, ihr investiertes Geld zurückzuverdienen. Die Telekom hingegen plant und baut langfristig für die nächsten Jahrzehnte. Nicht verwunderlich, dass die Interessenlage da sehr unterschiedlich ist. Verwunderlich ist dagegen schon, dass einige Wettbewerber dabei mit dem Prinzip des freien Marktes brechen wollen. Da heißt es, die Telekom dürfe nicht in Gebieten investieren, in denen andere Anbieter aktiv sind. Srini Gopalan schüttelt bei solchen Forderungen den Kopf. „Das würde Wettbewerb verhindern. Und im Klartext heißt das, Deutschland bekäme ganz viele, lokal begrenzte Glasfasermonopole. Das ist Kleinstaaterei und kann nicht der digitale Weg sein, den eine der führenden Wirtschaftsnationen einschlägt.“
Die „Nur-einer-baut-aus-Idee“ hätte auch für die Bürgerinnen und Bürger Nachteile. Denn wo Monopole den Wettbewerb verhindern, bleiben die Endkundenpreise mangels Konkurrenz hoch. „Deswegen ist Wettbewerb, auch gerade in der Infrastruktur, politisch gewollt. Das deutsche und das europäische Recht sehen Wettbewerb auch im Netzausbau vor“, sagt Gopalan. „Das beobachten wir auch im Mobilfunk, wo die Politik mit 1&1 unbedingt einen vierten Netzanbieter etablieren wollte. Obwohl die Mobilfunkpreise in Deutschland nachweislich im europäischen Mittelfeld liegen. Jetzt den Glasfaser-Wettbewerb im Festnetz zu unterbinden, wäre unverständlich.“ Wettbewerb nimmt er als Ansporn. So sieht Gopalan auch den angekündigten Parallelausbau am Telekom-Heimatort Bonn durch den Anbieter Westconnect sportlich. „Das wird sicherlich nicht der letzte Fall sein, wo jemand dort anfängt zu bauen, wo auch die Telekom bereits gebaut hat. Am Ende entscheiden die Kunden nach Qualität und Preis. Es ist gut, wenn sie die Auswahl haben.“
Überhaupt ist Qualität ein gewichtiger Punkt. Kundinnen und Kunden der Telekom erwarten, dass wir keine Abstriche an unserer Netz- und Servicequalität machen, egal ob in einer Metropole, im Alpenvorland oder an der Ostsee. Im Netz kann es ständig Störfälle geben – siehe die prominenten Fälle aus Düsseldorf und Frankfurt zu Jahresbeginn, in denen Fremdbagger unser Glasfasernetz beschädigt haben. Deshalb braucht es eine qualifizierte, stets verfügbare Mannschaft im technischen Service, um den Kundinnen und Kunden einen 24x7 Service mit verlässlichen Entstörzeiten zu bieten. Wenn andere Unternehmen ihre Infrastruktur zwar wholebuy anbieten, die Service- und Qualitätsparameter aber nicht erfüllen können, muss die Telekom selber bauen.
Überbau: Nix Genaues weiß man nicht
Die Wettbewerbsdebatte läuft in der Branche unter dem Stichwort Überbau. Doch dieses heiß diskutierte Wort ist zunächst auch nicht mehr als das – ein Wort. „Niemand hat das richtig definiert“, sagt Srini Gopalan. „Wir wissen nicht genau, was unseren Bau zum Überbau macht. Wenn wir unser eigenes Kupfernetz modernisieren – ist das auch schon Überbau? Wenn wir bauen, wo schon jemand gebaut hat? Oder wenn wir Ausbau planen, wo auch ein anderes Unternehmen den Ausbau angekündigt hat? Jeder versteht das anders – und diese Unklarheit hilft in der aufgeheizten Diskussion nicht.“
Also, nix Genaues weiß man nicht. Aber warum ist ihm dieser Punkt so wichtig? Ist das nicht nur Wortklauberei? Nein, findet der Telekom Deutschland-Chef. „Wenn der Begriff beliebig ist, stimmen auch die Fallzahlen nicht. Dann wird eine Dimension beklagt, die nicht der Realität entspricht. Wir haben die aktuellen Fälle bei der Telekom nachgezählt. Tatsächlicher Doppelausbau – also wirklich bauen, nicht nur ankündigen – hat bei unserem Netzausbau in diesem Jahr einen Anteil von etwa zwei Prozent. Das ist nicht das geschilderte Massenphänomen.“
Nur verbindliche Definitionen ergeben also korrekte Zahlen. Eines aber macht Gopalan klar: Zukünftig werden die Fälle etwas ansteigen. Das gilt grundsätzlich für alle Anbieter, nicht nur für die Telekom. Größere Ausbauprojekte von Wettbewerbern, die ihr bisheriges Kabelnetz in den nächsten Jahren auch auf FTTH umrüsten werden, zeichnen sich ab. Und wo viele ausbauen, kann es eben immer mal wieder zu Überschneidungen kommen.
700.000 Kilometer Telekom-Glasfaser brauchen Vollendung
Und wo wir schon bei Zahlen sind – die Investitionskosten für den Glasfaserausbau sind nicht ohne. Die allgegenwärtigen Preissteigerungen spürt auch die Telekommunikationsbranche, etwa bei den sprunghaft steigenden Kosten für Tiefbau. Haben dann diejenigen Recht, die meinen, der sogenannte Überbau sei volkswirtschaftlicher Unsinn? Dem kann Gopalan nicht zustimmen. „Das unterschlägt völlig, dass die Telekom beim Glaserausbau nicht bei null anfängt. Seitdem wir Vectoring begonnen haben, ziehen wir Glasfaser quer durch Deutschland. Inzwischen sind das schon rund 700.000 Kilometer Glasfaser. Das ist fast so viel wie die Entfernung von der Erde zum Mond und wieder zurück. Ist es wirtschaftlich sinnvoll, wenn wir nach diesen Investitionen und Vorarbeiten die letzten Glasfasermeilen in der Stadt und auf dem Land jetzt nicht vollenden sollen? Bringt das Deutschland weiter?“ Mit Sicherheit nicht.
Wobei Gopalan auch gleich einen Vorschlag zur Kostensenkung hat, der allen Anbietern nutzen würde. Er möchte den klassischen Tiefbau, der hierzulande immer noch das Standardverfahren für die Verlegung von Glasfaser ist, viel stärker durch ein modernes Verfahren ersetzen. Im Behördendeutsch heißt es „Verlegen in Mindertiefe“, die Fachleute sagen kurz „Trenching“ dazu. Gopalan ist bekennender Trenching-Fan. „Beim Trenching gibt es keine große Baugrube, sondern nur einen schmalen Schlitz an der Straßenoberfläche. Dieser Ausbau spart ungefähr 30 Prozent Kosten, ist rund viermal schneller und reduziert Lärm, Schmutz oder Verkehrssperrungen erheblich.. Meist sind die Eingriffe an einem Tag erledigt. Auch würde es mit digitalisierten und einheitlichen Genehmigungsverfahren deutlich schneller vorangehen. Diese Themen bremsen uns. Damit sollten sich die Branche und die Öffentlichkeit beschäftigen. Und nicht mit der Zwei-Prozent-Phantomdiskussion zum sogenannten Überbau.“
Glasfaser auch auf dem Land und in Partnerschaften
Und trotzdem nochmal zum Glasfaserausbau nachgefragt – was ist mit dem Vorwurf der Rosinenpickerei, der gegenüber der Telekom erhoben wird? Ausbau nur in lukrativen Lagen, der Rest wird ignoriert? „Natürlich haben wir eine Planung, die auf wirtschaftlichen Überlegungen basiert. Wo sich ein Ausbau am schnellsten rentiert, wird auch prioritär ausgebaut. Weil wir damit Geld verdienen, was umgehend in den weiteren Glasfaserausbau geht. Aber die Telekom lässt den ländlichen Raum nicht links liegen. Im Gegenteil: Wir haben mit GlasfaserPlus ein Unternehmen gegründet, das vier Millionen Anschlüsse in ländlichen Regionen bauen soll. Und selbst bauen wir dort acht Millionen Anschlüsse. Wir sind diejenigen, die Glasfaser auch in Orte wie Saulgrub, Hohenmölsen oder Pretzschendorf bringen.“
Noch eines liegt Gopalan am Herzen. „Unser Netz bauen wir nicht allein. Schon ein Viertel unseres Ausbaus findet in Kooperation statt. Zum Beispiel mit den Stadtwerken in Bochum, Münster oder Coburg. Mit der größten Public Private Partnership dieser Art mit 179 Kommunen in der Region Stuttgart. Mehr als 20 Partnerschaften im ganzen Land haben wir schon. Das funktioniert nur so gut, weil es echte Partnerschaften auf Augenhöhe sind. Mit einer langfristigen Perspektive und seriösen Partnern. Wir verstehen Digitalisierung als Teamsport.“
Also, Zeit für die Abschlussfrage: Ist die Telekom unfair, Srini Gopalan? „Nein, wir machen einfach nur unseren Job. Und der ist: die Menschen ans Netz der Zukunft bringen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.