Neu von Feuerwehr und Telekom: Die beste 112 aller Zeiten
Wenn's brennt, am Dachstuhl oder auch nur im übertragenen Sinne – dann rufen die Menschen in Deutschland und weltweit in rund 100 weiteren Ländern die 112 an. Hierzulande wurde die Notrufnummer bereits seit 1948 regional verwendet, seit 1973 gilt sie bundesweit. Damals waren die Rettungsleitstellen noch klassisch mit analogen Telefonleitungen angeschlossen. Gut 20 Jahre später folgte ISDN. Und nun startet „112, The Next Generation“.
Denn nach über 25 Millionen Privatkunden, die jetzt dank der Umstellung auf die moderne IP-Technik schneller surfen, mit besserer Sprachqualität telefonieren und mehr Komfort genießen, bringt die Deutsche Telekom jetzt auch die Rettungsleitstellen ins internetbasierte IP-Netz. Wir verraten, wie die Umstellung der 112 funktioniert. Und wir erklären, wie Mitarbeiter und Anrufer von einem noch schnelleren, zuverlässigeren und flexibleren Notruf profitieren.
Die Integrierte Leitstelle der Feuerwehr München
Die Branddirektion München hat quasi ihre eigene „Telefonzentrale“, die Integrierte Leitstelle (ILS). Hier koordinieren die Disponentinnen und Disponenten die Einsätze von Berufsfeuerwehr, Freiwilliger Feuerwehr und Rettungsdiensten. Allein im Jahr 2019 gingen hier, auf dem Gelände der Feuerwache 4 in München-Schwabing, über 1,1 Millionen Anrufe ein. Das heißt: Jeden Tag wurden im Raum München rund 3.000 Mal die 112 und die Nummer für den Krankentransport 19 222 angerufen.
Das Spektrum reichte dabei laut dem Jahresbericht 2019 der Branddirektion von 7.167 Brandalarmen bis hin zu 1.496 Kleintier-Rettungen. Dass die Erreichbarkeit der Rettungskräfte absolut zuverlässig funktionieren muss, versteht sich von selbst. Denn hier geht es in aller Regel um medizinische Notfälle, um schwere Verkehrsunfälle und um Brände – und damit tagtäglich um Menschenleben.
Neue Technik für die Rettungskräfte
Die Münchner ILS ist die größte Leitstelle in Bayern, und eine der größten in ganz Deutschland. Sie ist seit Anfang Oktober 2020 bundesweit eine der ersten Leitstellen, die die eigens entwickelte Lösung der Telekom für Rettungsdienste auf Basis eines IP-Anschlusses mit doppelter Glasfaseranbindung nutzt. Denn die Vorteile, die Privatkunden von der internetbasierten Technik kennen, mit besserer Sprachqualität, neuen Funktionen und mehr Komfort – sie gelten erst recht für den Telefon-Marathon der Rettungskräfte, die hier das ganze Jahr über 24 Stunden am Tag erreichbar sind. Die bisherigen ISDN-Anlagen haben zwar zuverlässig funktioniert. Doch die Kapazitäten wurden immer knapper, ebenso wie Ersatzteile. Und viele moderne Funktionen, die die 112 und die 19 222 noch flexibler und leistungsfähiger machen, waren bisher nicht möglich.
Mathias Duensing, Leiter des Sachgebiets Vermittlungstechnik, welches für die Kommunikationstechnik der ILS München verantwortlich ist, beschreibt die Anforderungen an die neue IP-Anbindung so: „Oberste Priorität hat für uns die Ausfallsicherheit und Qualität der Anbindung. Die 112 muss zu jeder Zeit verfügbar sein und es darf auch bei Ausfällen von Komponenten oder dem berühmten Bagger in der Leitung zu keinen Gesprächsabrissen kommen. Aus diesem Grund haben wir uns in München für die knoten- und kantendisjunkte Anbindung sowohl der Leitstelle, als auch der Not-Leitstelle entschieden. Ebenfalls wollen wir so die Basis für mögliche neue Lösungen in der Zukunft schaffen.“
Sechs Jahre Vorbereitung
Bereits 2014 hat die Expertengruppe Notruf der Bundesländer mit den Vorbereitungen für die IP-Migration der Leitstellen begonnen. 2018 war die „Technische Richtlinie Notrufverbindungen 2.0“ fertig, die alle Anforderungen festschreibt. Und 18 Monate später war der neue IP-Notrufanschluss einsatzbereit, den die Telekom und ihr Partner Eurofunk nach ausführlichen Funktions- und Lasttests nun in München in Betrieb nahmen. Er besteht aus dem neuen IP-Anschluss Business Premium Access (BPA) für Geschäftskunden und aus dem Telefonie-Dienst Leitstellensprachdienst 110/112 (LSSD). Beide Komponenten sind maßgeschneidert aufeinander abgestimmt. Denn nur so kann das hohe Anrufvolumen störungsfrei verarbeitet werden.
„Die Herausforderung in diesem Projekt war, die höchsten Ansprüche an die Verfügbarkeit zu erfüllen und somit zuverlässige lebensrettende Notrufverbindungen sicherzustellen“, sagt Laura Braun, die verantwortliche Projektmanagerin der Telekom Business Solutions. „Garant für den Erfolg war die enge Zusammenarbeit am runden Tisch bei der Planung und Durchführung zwischen Leitstelle, Telekom und Hardware-Hersteller Eurofunk. Intensive Testreihen unter Einbeziehung aller denkbaren Ausfallszenarien und Lasttests legten die Basis für die erfolgreiche Inbetriebnahme in der Leitstelle München.“
Die neue 112: Das sind die Vorteile
Die 112 bleibt die 112. Sie wird durch die neue IP-Technik aber noch zuverlässiger, schneller und flexibler. Und um auch weiterhin die geforderte ständige Erreichbarkeit des Notrufes zu sichern, stehen die Telekom Experten des Leitstellenservice in Meschede den Leitstellen rund um die Uhr zur Seite. Für die Mitarbeiter und vor allem für die Anrufer gibt es fünf große Vorteile:
1. Höhere Ausfallsicherheit: Durch die doppelte Glasfaseranbindung des BPA-Anschlusses steigt die Verfügbarkeit der Notrufnummern auf bis zu 99,9 Prozent. Die beiden Leitungen sind komplett voneinander getrennt. Sie liegen mindestens drei Meter voneinander entfernt, dürfen sich nicht kreuzen und führen an unterschiedlichen Orten in die Leitstelle. Selbst wenn ein Bagger eine Leitung zerstört, wird das Gespräch unterbrechungsfrei auf den zweiten Anschluss umgeschaltet. Dabei kommt es allenfalls zu einer zwei- bis drei sekündigen Pause im Gespräch, die der Anrufer kaum bemerkt. So geht kein Notruf mehr verloren.
2. Bessere Sprachqualität: Privatkunden, deren Anschlüsse die Telekom bereits auf IP umgestellt hat, kennen die brillante Sprachqualität von HD Voice. Wenn beide Gesprächspartner ein entsprechendes Festnetztelefon oder Smartphone benutzen, klingen die Anrufe so klar und deutlich, als würde man direkt nebeneinanderstehen. Diesen wesentlich besseren Klang bieten nun auch die Notrufe bei Leitstellen mit IP-Anbindung. Das sorgt für weniger Missverständnisse und für eine bessere Verständigung mit den meistens sehr aufgeregten Anrufern.
3. Höhere Kapazitäten: Bisher konnten in den Leitstellen über einen ISDN-basierten Primärmultiplexanschluss maximal 30 Anrufer gleichzeitig bedient werden. Künftig steigt diese Zahl pro LSSD (Leitstellensprachdienst) auf bis zu 300 parallele Gespräche. Und weitere Leitungen lassen sich kurzfristig dazuschalten. Im Normalbetrieb sind solche enorm hohen Zahlen zwar nicht notwendig. Aber im Krisenfall, wenn zum Beispiel Hotlines geschaltet werden müssen, können diese Kapazitäten und die Anbindung der Leitstelle per Gigabit-Internet die Kommunikation mit den Bürgern deutlich verbessern.
4. Bessere Ortung: Die neue IP-Technik der Leitstellen ist schon jetzt darauf vorbereitet, dass die Anrufer künftig im Notfall auch automatisch ihren Standort übermitteln können. In Situationen, in denen Hilfesuchende oft gar nicht mehr wissen, wo sie sich genau befinden, sorgt das dafür, dass die Rettungskräfte definitiv an den richtigen Einsatzort ausrücken – und schneller helfen können.
5. Mehr Multimedia: Derzeit beschränkt sich ein Notruf auf Sprachinformationen, die der Anrufer in die Leitstelle durchgeben muss. Nun sind mit der IP-Technik bereits die Voraussetzung für künftige multimediale Notrufe geschaffen. Dabei geht es unter anderem um die Anbindung von Apps, über die zum Beispiel Gesundheitsdaten eines Notfall-Patienten übermittelt werden können. Perspektivisch lassen sich auch Bilder und Videos der Einsatzsituation direkt mit dem Notruf übertragen. Sie zeigen den Rettungskräften dann schon vorab, welche Situation sie vor Ort erwartet. Die nächste Generation der Notrufe ist unter dem Kürzel NG112 bereits in Planung. Und die Leitstellen mit IP-Anschluss sind fit für diese Zukunft – in der modernste Kommunikationstechnik dabei hilft, noch effizienter und schneller Leben zu retten.
So rettet Mobilfunk Leben
Notruf mit GPS-Ortung: Seit 2019 ist die Mobilfunktechnik AML in Freiburg im Pilotbetrieb.