Glasfaser für die Hütten – Mobilfunk auf der Kampenwand
Die Kampenwand in den Chiemgauer Alpen ist mit ihrem 1.669 Meter hohen Gipfel bei Weitem nicht der höchste Punkt in der Region. Aber der Berg, dessen Form an einen Hahnenkamm erinnert, besitzt trotzdem einige herausragende Eigenschaften. Sein Gipfelkreuz aus Metall ist mit zwölf Metern Höhe das größte in den Bayerischen Alpen. Außerdem kennt in Bayern fast jeder die Kampenwand – zumindest dem Namen nach. Das liegt an diesem legendären Wortspiel: „I gangat gern auf d’Kampenwand, wann i mit meiner Wamp’n kannt’.“ Auf Hochdeutsch: „Ich würde gerne auf die Kampenwand steigen, wenn ich mit meinem dicken Bauch nach oben käme.“ Und neuerdings ist die Kampenwand auch einer der modernsten bayerischen Gipfel. Denn die Telekom hat die dortigen Almhütten an ihr Glasfasernetz angeschlossen.
Projekt Kampenwand
Bereits seit 2021 arbeitet die Deutsche Telekom daran, die Hütten und Almen an der Kampenwand mit schnellem Internet zu versorgen. Projektpartner ist das Münchner Ingenieurbüro TBD-Solutions, dessen Geschäftsführer Gerhard Dietmannsberger mittlerweile zum routinierten Kampenwand-Besteiger geworden ist. Er verrät: „Wir haben die Baustelle jetzt seit über einem Jahr. Und ich glaube, ich war schon zehnmal auf der Kampenwand oben.“ Er darf allerdings ausnahmsweise mit dem Auto bis zur letzten Alm fahren – mit Sondergenehmigung für den Serviceeinsatz im Auftrag der Telekom und mit Leuchte auf dem Dach, die die Radfahrer und Wanderer warnt. Erst auf den letzten zwei Kilometern bis zum Gipfel helfen dann nur noch gesunde Füße und gute Bergschuhe: „Bissl steil und schmal, aber es geht.“
Das Besondere am Kampenwand-Internet
Gerhard Dietmannsberger hat für sein auf Telekommunikation spezialisiertes Ingenieurbüro schon einige aufwändige Projekte realisiert – unter anderem für die Telekom, die Deutsche Bahn oder für Netzwerkspezialist Nokia. Doch die Glasfaserversorgung an der Kampenwand ist auch für den Routinier eine ganz besondere Herausforderung: „Das ist Hochgebirge. Man macht die Grasnarbe weg – und darunter ist Fels.“ Dietmannsberger schildert, wie sich seine Spezialist*innen mit der Glasfasertrasse nach oben gekämpft haben: „Die haben sich mit dem Bagger und dem Presslufthammer durch den Fels gehauen, und sie haben teilweise auch gesprengt.“ So eine Sprengung arbeitet sich in einer Welle durch das Gestein – was beinahe so ausschaut, als wäre unterirdisch ein riesiger Maulwurf am Werk. Dabei ist Eile geboten. Denn das Zeitfenster im Sommer für so eine Aktion beträgt aus Witterungsgründen gerade mal vier Monate.
Priorität für den Naturschutz
In den Bergen Gestein zu sprengen, um den Kanal für eine Glasfaserleitung zu legen – das klingt zunächst einmal nicht allzu ökologisch und umweltschonend. Doch Gerhard Dietmannsberger kann die Bedenken zerstreuen. Denn auch bei diesem Projekt hatte der Naturschutz oberste Priorität. Der Experte zeigt auf die unversehrte, grüne Landschaft rund um den Verlauf „seiner“ Glasfasertrasse: „Die Auflagen vom Naturschutz sind so, dass man das genau wieder so herstellen muss, wie es vorher war. Das ist jetzt gut ein Jahr her. Und man sieht nichts mehr davon, dass da gebaut worden ist.“ Die Gebirgs-Glasfaser wurde ohnehin nur möglich, weil die Gemeinde Aschau die Wasserleitungen zu den Berghütten erneuert hat – und weil sich die Telekom an diese Arbeiten anschließen konnte.
So funktioniert das Internet für die Almhütten
Um die Glasfaser zu verlegen, stehen riesige Trommeln mit Kabeln in verschiedenen Farben unter dem Gipfel – wie überdimensionale Spulen mit Nähgarn. Auf dem Lkw-Anhänger daneben heißt es völlig zurecht „Nichts ist schneller als Licht!“. Die Glasfaserstrecke aus dem Tal, die in Aschau beginnt, verläuft zunächst gut zweieinhalb Kilometer quer über die Skipiste nach oben bis zur idyllischen Gori-Alm auf 1.240 Metern. Hier treffen sich Wander*innen, Tourengeher *innen und Skifahrer*innen zu einer gemütlichen Einkehr. Und hier haben die Telekom-Techniker*innen einen Zwischenverteiler für die darüber liegenden Almen gebaut. Von hier aus führen die Leitungen weiter nach oben auf den Berg. „Für die neun Almen hat man insgesamt 25 Kilometer Glasfaserkabel eingeblasen“, weiß Dietmannsberger. Damit werden unter anderem die Michl-Alm, die Schlechtenberg-Alm und ganz oben direkt unterhalb des Kampenwandmassivs die Steinling-Alm versorgt. Dort überall gilt jetzt: Auf der Alm gibt’s koa Sünd – aber Glasfaser.
So wichtig ist schnelles Internet für die Almen
So urwüchsig die Hütten und Almen in den Chiemgauer Alpen auch wirken – die Betreiber*innen und die Wirt*innen sind auf der Höhe der Zeit. Und sie nehmen gerne die Möglichkeit an, sich das harte Leben in den Bergen von moderner Technik erleichtern zu lassen. Wirtin Manuela Moosmüller, deren Familie die Gori-Alm seit 1899 bewirtschaftet, verrät, wie wichtig hier das schnelle Internet ist: „Grundsätzlich ist es für uns als Wirte einfach sehr praktisch. Denn sämtliche Bestellungen, alles, was wir für die Alm brauchen, was mit den Kühen zu tun hat – das mussten wir früher immer alles nach der Arbeit von daheim aus machen.“ Nun klappt das auch von der Alm aus. Alles, was die Wirtin braucht, um für die Gäste ihren berühmten Kaiserschmarrn und ihre Kaspressknödel auf den Teller zu zaubern, kann sie nun von hier oben aus online bestellen. Weil der Handyempfang am Berg immer noch recht lückenhaft ist, freut sie sich außerdem über ein Festnetztelefon – und über schnelles WLAN für die Gäste, die damit zum Beispiel Bergkarten aufrufen können. Tiktok und Instagram dürfen dagegen gern unten im Tal bleiben, lacht Manuela Moosmüller: „Man hofft schon, dass sie vor lauter Googeln und Posten unsere schöne Aussicht nicht vergessen.“
Das Handy in den Bergen
Grundsätzlich passt moderne Technik mit Glasfaser-Internet und Mobilfunkempfang besser in die idyllische Bergwelt, als man zunächst denken möchte. Früher wurden Wanderer und Bergsteiger, die selbst in der herrlichen Natur nicht auf den Großstadt-Stress mit dem Handy verzichten wollten, noch belächelt. Heute empfiehlt sogar die Deutsche Bergwacht dringend, ein Mobiltelefon in den Rucksack zu packen – damit man im Notfall Hilfe rufen kann. Das alte Klapp-Handy aus der Schublade ist dabei keine gute Idee. Denn nur ein einigermaßen modernes Smartphone mit LTE überträgt bei der Wahl der Notrufnummer 112 seine Positionsdaten per GPS-Ortung automatisch mit. So erfahren Rettungskräfte genau, wo sie akut gebraucht werden – selbst, wenn ein verirrter oder verletzter Wanderer seinen Standpunkt gar nicht mehr angeben kann. Damit der Strom nicht ausgeht, sollte außerdem eine (geladene!) Powerbank samt Kabel mit ins Gepäck. Das beste Notfall-Handy ist allerdings ein Handy, das man gar nicht braucht, weil beim Wandern und Kraxeln alles gut geht. So ein Bergtag endet dann am besten auf der Terrasse der Gori-Alm – mit Kaspressknödeln, Kaiserschmarrn und sensationellem Blick über das „Bayerische Meer“, den Chiemsee.
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