Breitbandausbau Land: Idylle frisst Bandbreite auf
In dem Programm „Mehr Breitband für Deutschland“ (MBfD) bündelt die Deutsche Telekom Ausbauvorhaben, die nicht eigenfinanziert sind. Ulrich Adams leitet als Vorstandsbeauftragter für den Breitbandausbau dieses Programm. In einem Interview zieht er Bilanz über das abgelaufene Jahr 2015 und gibt einen Ausblick auf 2016.
Herr Adams, das MBfD-Programm läuft seit 2008. Ist ein Ende in Sicht?Adams: Nein, der Hunger nach Bandbreite ist noch lange nicht gestillt. Aber es geht heute in den seltensten Fälle um eine Grundversorgung, sondern es geht darum, immer höhere Bandbreiten zur Verfügung zu stellen. Als wir 2008 gestartet sind, war ein Ausbau mit bis zu sechs Megabit pro Sekunden (MBit/s) die Regel. Heute sind wir bei mindestens 30 MBit/s.Im vergangenen Jahr haben wir rund 750 Kooperationsverträge abgeschlossen und rund 500.000 Haushalte zusätzlich mit schnellem Internet versorgt. Die Arbeit geht uns also nicht aus.
500.000 Haushalte klingt, bezogen auf das Bundesgebiet, wie ein Tropfen auf den heißen Stein.Adams: Wenn das alles wäre, was wir für den Breitausbau machen, würde ich Ihnen recht geben. Aber das sind Maßnahmen, die on top zu unserem Eigenausbau im Festnetz und Mobilfunk kommen. Wir treiben den Breitbandausbau derzeit wirklich massiv mit allen uns zur Verfügung stehenden Kapazitäten voran. Wir gehen dabei bedarfsorientiert vor: Beim Mobilfunk reicht die Spanne von der Flächenversorgung im ländlichen Raum mit zu bis 50 MBit/s bis hin zur Versorgung von Ballungsräumen mit sehr hoher Nutzung mit bis zu 300 MBit/s. Im Festnetz ziehen wir das Glasfaserkabel so nahe an den Kunden wie möglich. Je nach Lage bauen wir FTTC (Fiber to the Curb), FTTB (Fiber to the Building) oder FTTH (Fiber to the Home). Die Spanne reicht hier von maximal 50 Mbit/s bis maximal 200 MBit/s. Mit der Hybrid-Technologie können wir 2018 sogar bis zu 550 MBit/s im Download zur Verfügung stellen.
Vier Milliarden Euro Investition in Netze
Warum muss der Breitbandausbau überhaupt gefördert werden? Das ist doch ein Riesengeschäft. Wird hier doppelt abkassiert?Adams: Der größte Teil unseres Ausbaus ist eigenfinanziert. Die Deutsche Telekom investiert in Deutschland pro Jahr rund vier Milliarden Euro in ihre Netze. Niemand investiert mehr. Nur dort, wo nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten kein Ausbau möglich ist, muss ein kooperativer Ausbau stattfinden. Sonst würde es an dieser Stelle keine Versorgung geben. Aber auch hier bringen wir uns mit eigenen Mitteln ein. Die Gebietskörperschaft ergänzt mit Fördermitteln, zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit. Aus meiner Sicht ist das gut investiertes Geld. Und dort, wo wir einmal gebaut haben, sorgen wir auch dafür, dass die Technik auf neuestem Stand gehalten und gegebenenfalls erweitert wird.
Der Bedarf an schnellen Anschlüssen ist bei der Familie in der Stadt genauso groß wie auf dem Land. Warum werden auf dem Land überhaupt niedrigere Bandbreiten angeboten?Adams: Der Ausbau auf dem Land stellt alle Betreiber vor große Herausforderungen, weil die Anschlüsse hier deutlich teurer in der Realisierung sind. Das Land Rheinland-Pfalz hat vor wenigen Wochen den TÜV Rheinland einmal durchrechnen lassen, was ein kompletter FTTB-Ausbau in dem Bundesland kosten würde. In bereits gut versorgten, eng besiedelten Gebieten, in denen die Kabeltrassen kurz sind, betragen demnach die Kosten je Haushalt bis zu 2.500 Euro. In schlecht versorgten, dünn besiedelten Regionen, in denen lange Verkabelungen notwendig sind, fallen bis zu 5.345 Euro je Haushalt an. Der Ausbau der teuersten fünf Prozent der Ausbaugebiete, so der TÜV Rheinland, würde rund ein Viertel der Gesamtkosten verschlingen. Die Faustformel lautet hier: Je idyllischer die Menschen wohnen, desto schwieriger die Versorgung.
Ausbau: Nur zwei Jahre für einen Landkreis
Wie läuft ein MBfD-Projekt ab? Wie lange dauert es von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Moment, wo der Kunde surfen kann?Adams: Wir beraten und informieren die Kunden proaktiv über die Möglichkeiten einer flächendeckenden Versorgung der Gebietskörperschaft. Sobald eine Ausschreibung vorliegt, beginnt die Angebotsplanung für ein ausschreibungskonformes und bedarfsgerechtes Angebot zu einer optimalen Lösung für den Landkreis oder die Kommune.Erhalten wir einen Zuschlag, starten wir den Realisierungsprozess mit den Phasen Feinplanung, Standort- und Wegsicherung in Abstimmung mit dem Landkreis oder der Kommune, sowie Materialbeschaffung, um dann in die bauliche Umsetzung zu gehen. Abschließend folgt die Dokumentations- und Vermarktungsphase. Je nach Größe der Gebietskörperschaft können diese Phasen parallel laufen beziehungsweise überlappen, sodass die ersten Kunden schon unsere Produkte buchen können, während im restlichen Gebiet noch gebaut wird.Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 4.000 Gespräche mit Kommunen und Landkreisen geführt, rund 4.900 Kilometer Glasfaser verlegt und rund 3.400 Multifunktionsgehäuse aufgestellt. Über 19.000 Planungsstunden sind angefallen.Wir haben uns mittlerweile so gut ausgerichtet und unsere Abläufe so weit optimiert, dass wir in der Lage sind, einen kompletten Landkreis zwei Jahre nach der Vertragsunterzeichnung fertigzustellen.
Haben Sie einen Wunsch für 2016?Adams: Für den Bereich „Mehr Breitband für Deutschland“ würde ich mir wünschen, dass wir die Erlaubnis bekommen, Vectoring auch in den Fördergebieten einzuschalten. Derzeit liegt auf jedem Fördergebiet eine Sperre von sieben Jahren. Das ist sehr bedauerlich, weil die verbaute Technik Vectoring eigentlich könnte. Wir wären also ohne Probleme in der Lage, den Menschen eine doppelt so hohe Download- und eine viermal höhere Upload-Geschwindigkeit anzubieten.Für die Breitband-Diskussion insgesamt würde ich mir wieder mehr Sachlichkeit und Pragmatismus wünschen. Da wird mit Slogans gearbeitet, die einer sachlichen Überprüfung nicht standhalten, etwa „Glasfaser statt Vectoring“ (siehe: „Warum Glasfaser und Vectoring sich nicht widersprechen“). Und es werden Maximalforderungen aufgestellt, die sich nur auf dem Papier gut anhören. Wer die Forderung nach einem Komplettausbau mit Glasfaser aufstellt, der soll doch auch einmal einen konkreten Fahrplan vorlegen: Wo kommen die Tiefbau-Kapazitäten her? Das Material? Die Planungsdaten? Wie sind die Eigentümerverhältnisse? Wie sieht der Zeitplan für die Umsetzung aus? Und welche Vermarktungsziele müssen erreicht werden? Das wäre mal eine Lektion in Sachen Demut, wenn der eine oder andere begreifen würde, welche Riesenaufgabe er da zu bewältigen hätte.Eigenfinanzierter Ausbau plus kooperativer Ausbau führt zu einem flächendeckenden Ausbau. Wir beweisen das gerade in den großen Landkreisausschreibungen, die wir gewonnen haben, etwa dem Neckar-Odenwald-Kreis (siehe: „Breitbandausbau Baden-Württemberg: 1. Landkreis für Telekom“). Wir können beim Wirtschaftlichkeitslücken-Modell Skaleneffekte nutzen und so den Menschen hohe Bandbreiten schnell und zu einem guten Preis anbieten.
Mehr Breitband für Deutschland
Seit 2008 wurden über 6.000 Kooperationsverträge im gesamten Bundesgebiet geschlossen. Knapp drei Millionen Haushalte erhielten auf diese Weise schnelles Internet – zusätzlich zum eigenen Ausbau der Telekom. Das Unternehmen hat dafür rund 29.000 Kilometer Glasfaser verlegt und über 17.500 Multifunktionsgehäuse aufgestellt, das sind die grauen Verteilerkästen am Straßenrand.