Was sind Internationale Datenräume?
„Daten sind das neue Öl“ ist ein Zitat aus einem Artikel, der 2017 im Economist erschien. Es wirkt abgegriffen, ist aber aktueller als je zuvor: Wir haben das neue Öl des 21. Jahrhunderts entdeckt. Wir haben gemerkt, dass es ein besonderer Stoff ist: Es stinkt, es brennt, es klebt – um im Bild zu bleiben. Wir fördern das neue Öl mit den unterschiedlichsten Methoden. Wir haben angefangen es zu sammeln in so genannten Data lakes. Was wir noch nicht können: das neue Öl raffinieren, es in einer Wertschöpfungskette verteilen und verarbeiten. Und daraus Kunststoffe, Farben und Pharmazeutika herstellen.
Dies alles passiert nicht, weil die Daten kein Preisschild haben. Der große Vorteil digitaler Daten liegt in der makellosen 1:1-Kopie, die auch noch kostenlos ist, sobald sie im Internet geteilt wird. Mit größter Mühe versuchen Verlage im Internet Geld zu verdienen. Kein Unternehmen hat Interesse daran, Daten zu teilen, wenn es damit kein Geld verdient. Oder schlimmer noch: wenn andere damit Geld verdienen. Internationale Datenräume geben den Datenbesitzern die Souveränität über ihre Daten zurück.
Internationale Datenräume – eine Definition
“The next big thing” ist da. Es wird die IT-Welt verändern, so wie es Cloud Computing tat. Es geht um eine neue Art, Daten zu teilen. Ein Versuch der Definition: Teilnehmer an Internationalen Datenräumen speichern ihre Daten wie gehabt. Wo sie das tun – ob zentral oder dezentral – spielt eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist das Teilen der Daten. Das erfolgt in Datenräumen Peer-to-Peer und die Datenhoheit verbleibt beim Besitzer der Daten. Bedeutet der Besitzer räumt Zugriffrechte ein wie „Lesen“, „Bearbeiten“ und „Kopieren“. Und dies: für bestimmte Nutzer und bestimmte Nutzungsarten, also den Verwendungszeck der Daten. Der Austausch findet also direkt zwischen den Partnern statt. Wieder einmal macht die Digitalisierung den Zwischenhandel obsolet. Die Anwendungen zum Verwalten der Anfragen, zum Anbieten der Daten und zum Monetarisieren der Daten sitzen zentral in der Cloud – die Daten selbst sind dezentral verteilt. Und: sie können ein Preisschild erhalten. Internationale Datenräume sind das Sprungbrett für eine Industrialisierung der Daten.
Gaia-X – eine Blaupause für europäische Datenraffinerien
"Wenn Daten das neue Öl sind, dann müssen wir langsam anfangen, uns die Finger schmutzig zu machen", sagte der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek beim Digitalgipfel 2019 in Dortmund, als er das Projekt Gaia-X vorstellte: Frankreich und Deutschland planen, eine Dateninfrastruktur für Europa aufzubauen. Eine Dateninfrastruktur, die wettbewerbsfähig, sicher und vertrauenswürdig ist. Zu den Gründungsmitgliedern zählen etwa auf deutscher Seite BMW, Robert Bosch, Deutsche Telekom, SAP und Siemens. Auf französischer Seite sind zum Beispiel Amadeus, Atos, EDF und Orange vertreten. Im März 2021 kamen 212 neue Mitglieder dazu, darunter Microsoft, Alibaba, Amazon und Google.
Catena-X – die Automobilbranche fährt vorweg
Eines der Leuchtturmprojekte von Gaia-X ist Catena-X. Das Datenökosystem für die Automobilbranche will den Datenaustausch der Autohersteller und Zulieferer nach den Prinzipien Internationaler Datenräume vereinfachen – und ist dabei schon sehr weit: Zur Hannover Messe 2023 soll das Angebot starten. Catena-X orientiert sich an den Standards von Gaia-X sowie der International Data Space Association (IDSA). Im Herbst 2022 hat Gaia-X die Telekom-Tochter T-System als „Gaia-X Digital Clearing House“ zertifiziert: Sobald das Catena-X Netzwerk live ist, kann T-Systems die Identität neuer Teilnehmer bestätigen. Und Datenverbindungen vermitteln. Um diese Kerndienste in der Cloud zur Verfügung zu stellen, braucht es einen Betreiber. So hat Catena-X im Frühjahr 2023 die erste Betreibergesellschaft zugelassen: Cofinity-X. Das Ziel - unter Einhaltung der Catena-X Standards wird Cofinity-X einen offenen Datenraum aus verteilten, souveränen Datenquellen betreiben. Zur Hannover Messe gehen die ersten zwei Anwendungen an den Start: Bei der einen geht es um die Sicherung der Qualität in Lieferketten. Die andere Anwendung liefert Daten zur Kreislaufwirtschaft. Beide haben zum Ziel Transparenz zu schaffen, damit vorhandene Ressourcen maximal genutzt werden können.
Es geht weiter – mit Manufacturing-X und mehr
Die Initiative Plattform Industrie 4.0 hat sich zum Ziel gesetzt, Internationale Datenräume der verschiedener Industrie-Branchen zu verbinden. Manufacturing-X legt dabei den Fokus auf den Maschinen- und Anlagenbau, im weitesten Sinne die Fertigungsindustrie. Catena-X ist nicht nur eine MX-Leuchtturminitiative, sondern ein konkretes Beispiel für einen Internationalen Datenraum, hier im Schwerpunkt für die Automobilindustrie. Weitere Branchen werden folgen. Für Internationale Datenräume sind aber noch ganz andere Szenarien in Vorbereitung: Bis 2025 will die Europäische Union die Grundlagen für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum schaffen. Hintergrund ist etwa die Forschung an sehr seltenen Krankheiten. In einem Land stehen dafür vielleicht zu wenig Daten zur Verfügung. Könnte die Forschung die Daten aus allen Ländern der EU nutzen, wären die Ergebnisse zuverlässiger und schneller erreicht. Gerade bei diesen Daten hat die Souveränität aber höchste Priorität. Und das alles können Internationale Datenräume leisten: „the next big thing“ – ich bleibe dabei!
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