Digitalisiert ist Sehnsucht nicht mehr schlimm
Ohne Skype und Mails, also ohne die Digitalisierung, könnte ich mir Weihnachten in diesem Jahr gar nicht vorstellen! Denn derzeit ist bei uns Zuhause alles ein wenig anders. Und daher haben Videotelefonie und Kurznachrichten mit Fotos sowie Soziale Medien wie Snapchat und Facebook absoluten Promi-Status.
Der Grund dafür ist meine 15-jährige Tochter, die derzeit wegen eines Schüleraustauschs für geschlagene sechs Monate bei einer Gastfamilie in Florida ist. Das macht einem als Elternteil doch ordentlich zu schaffen und fühlt sich selbst auch wieder ein wenig wie ein Teenie. Das bringt eine unbändige Sehnsucht nach dem Kind mit sich, obwohl eben diese Tochter einen vor fünf Monaten noch mindestens jeden zweiten Tag auf die Palme brachte!
Gerade die Feiertage rund um Weihnachten kommen oft wehmütig daher: Man vermisst die lieben Menschen, die nicht dabei sind. Die Weihnachtstraditionen werden in meiner Familie sehr hochgehalten: Man trifft sich neben dem Weihnachtsbaum, isst zusammen und hat endlich mal Zeit füreinander. Die vielen Feiertage bieten ungewohnt viel Zeit und Platz zum Nachdenken. Und wenn ein wichtiger Teil der Familie fehlt, dann drängt sich - schon allein bei den Gedanken an die Weihnachtsfeiertage - die Sehnsucht ziemlich frech und aufdringlich in den Vordergrund.
Und was macht dann diese Feiertage für mich und meinen Mann ein wenig erträglicher? Die Globalisierung via Internet! Schnell mal das Tablet aufgestellt und auf eine Videotelefonie-Funktion gedrückt – schon klingelt es rund 7.700 Kilometer Luftlinie weiter in Florida. Natürlich haben wir den Termin zum Video-Telefonieren schon vorher per Kurznachricht vereinbart. Und somit erscheint auf dem Tablet – schwuppdiewupp – das freche Grinsen unserer Tochter. Die Sehnsucht weicht und ein Gefühl der Verbundenheit und des Glücks rückt in den Fokus der vereinsamten Eltern. Die nächste halbe Stunde via Videotelefonie tauschen wir uns mit Händen und Füßen wild gestikulierend aus! Unser Kater muss natürlich auch ins Bild und sitzt schon gleich bei mir auf dem Schoß. Allerdings reagiert er nicht auf das Video-Bild seines Frauchens. Er gehört wohl nicht zu den Digital Natives, auch wenn sein Geburtsjahr 2014 anderes verheißen sollte. Trotzdem bringt ihn die virtuelle Familienvereinigung zum Schnurren.
Das Geschenkeauspacken beim Videotelefonieren neben dem Weihnachtsbaum entfällt allerdings in diesem Jahr, da das Porto für Pakete in die USA gefühlt viel zu teuer ist. Uns Eltern fehlen zwar die leuchtenden Augen, die übrigens auch noch bei „Pubertieren“ zu entdecken sind, aber ein gewisses Maß an Veränderung bringt die Entfernung von knapp 8.000 Kilometer halt mit sich.
Ruck zuck vergeht die Zeit vor dem Tablet. Aber so langsam gibt es nichts mehr zu erzählen und jeder hat noch andere Dinge in seinem analogen Umfeld, die auch wahrgenommen werden möchten. Viele virtuelle Küsse und Grüße weiter und den Knopf „Verbindung beenden“ drückend, freuen wir uns schon auf die nächsten Kurznachrichten, Fotos, Snapchats oder Facebook-Einträge. Aber vor allem freuen wir uns, dass wir unsere Tochter in einem Monat dann ganz real und analog am Flughafen in die Arme schließen können.
Mein Wunsch für das nächste digitale Weihnachten: Beamen! Wie ich es aus der Serie meiner Jugend „Raumschiff Enterprise“ kenne. Dann wären die nächsten gemeinsamen Weihnachtsfeste alle gesichert.