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Nicole Schmidt

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Investieren oder abkassieren? Warum eine Diensteanbieterverpflichtung Deutschlands Mobilfunknetze gefährdet

Diensteanbieterverpflichtung – was für ein Wortklops! Das ist aber nicht nur lautmalerisch eine Herausforderung und alles andere als ein guter Botschafter für die deutsche Sprache, sondern auch eine bedenkliche Forderung für den deutschen Mobilfunkmarkt. 

Fangen wir vorn an. Hinter dem 28-buchstabigen Ungetüm verbirgt sich ein Instrument, dass laut Telekommunikationsgesetz nur dann eingesetzt werden soll, wenn es im Mobilfunkmarkt keinen funktionierenden Wettbewerb gibt. Also keine Vielfalt bei den Anbietern und durch die mangelnde Auswahl zu hohe Preise für die Mobilfunkkunden. In diesem Fall kann eine Diensteanbieterverpflichtung eingeführt werden. Die besagt, dass echte Mobilfunknetzbetreiber (also die Deutsche Telekom, Telefonica und Vodafone und in vielen Jahren eventuell auch mal 1&1) allen Mobilfunkanbietern ohne eigenes Netz (das sind Diensteanbieter wie Freenet oder Reseller wie Aldi Talk & Co) Mobilfunkleistungen zu einem staatlich festgelegten Preis anbieten müssen. Halten wir nochmal fest: Vor einer Diensteanbieterverpflichtung  ist fundiert nachzuweisen, dass der Wettbewerb nicht funktioniert.

Funkmast in Landschaft

Das Netz gibt es nicht umsonst. Allein ein Funkmast auf dem Land kostet eine sechsstellige Summe. © Deutsche Telekom

Mobilfunknetze kosten Geld

Staatlich regulierte Preise für Mobilfunk - das klingt erstmal sehr menschenfreundlich, unterschlägt aber einen wichtigen Punkt. Die netzbetreibenden Mobilfunkanbieter haben enorme Investitionsvorläufe und Kostenstrukturen, um ein Netz zu bauen und zu betreiben. Dazu zählen die Kosten für die Mobilfunklizenzen, die immer wieder aufs Neue anfallen. Denn in Deutschland gilt eine einmal erworbene Lizenz nur für wenige Jahre. Danach muss sie von dem jeweiligen Netzbetreiber wieder für viel Geld ersteigert werden, denn sein Netz muss ja weiterlaufen. Knapp 70 Milliarden Euro sind so seit der Jahrtausendende schon von Telekom, Telefónica und Vodafone bezahlt worden. Für diese Summe gibt’s aber noch keinen einzigen Funkmast. Die eigentlichen Netzausbaukosten für die Errichtung der Masten, die darauf angebauten Antennen, die Glasfasererschließung der Masten und die nötige Netzwerktechnik kommen zu diesen Milliarden erst noch dazu. Um da ein Gefühl zu bekommen: Ein Funkmast im ländlichen Raum schlägt mit einer hohen sechsstelligen Summe zu Buche. Kurz gesagt: Ein Netz kostet richtig viel Geld und diese Investitionen zurückverdienen zu wollen und zu müssen, ist nichts Unanständiges. Im Gegenteil – das ist die Basis, auf der unsere Wirtschaft funktioniert. Somit ist es nicht verwunderlich, wenn ein Netzebauer wie die Telekom von den hohen Investitionen in neue Technologien auch zunächst selbst profitieren möchte. Statt über staatlich vorgeschriebene Preise Geschenke an die Kunden der anderen Unternehmen zu verteilen, die keine Investitionslast tragen. 

Auch alternative Anbieter machen ihren Schnitt

Ein Anbieter ohne Netz muss keinen einzigen Cent in Lizenzen oder Masten stecken. Ein Anbieter ohne Netz hat keine Auflagen zur Mobilfunkabdeckung zu erfüllen. Ein Anbieter ohne Netz schließt kein einziges Funkloch. Ein Anbieter ohne Netz hat kein kostenintensives oder kapitalbindendes Geschäft, denn er mietet einfach Netzkapazitäten oder vermarktet lediglich Mobilfunkkapazitäten weiter. Mehr nicht. Das ist auch grundsätzlich ok und mehr als 40 Anbieter ohne eigenes Netz zeigen deutlich, dass sie in Deutschland etablierter Teil der Wettbewerbslandschaft sind und es einen gut funktionierenden Wettbewerb im Markt gibt. Und weil Ländervergleiche immer sehr beliebt sind: Diese hohe Zahl an Anbietern ist in Europa Spitze. 

Auch die Telekom arbeitet seit Jahren erfolgreich mit Wholesale-Partnern zusammen und verhandelt stets diskriminierungsfrei. Wie zum Beispiel mit Freenet, führend unter den alternativen Anbietern, mit der umfangreiche Mehrjahresverträge geschlossen sind. Freenet konnte übrigens im letzten Geschäftsjahr einen Gewinnanstieg erzielen und erst im Februar 2023 die Dividende deutlich erhöhen. Auch unter den alternativen Anbietern funktioniert der Wettbewerb einwandfrei, wie das Beispiel Lebara zeigt. Der Anbieter wechselte von der Telekom in das o2-Netz. Ein weiteres Beispiel: 1&1, seit neuestem mit eigenem Mini-Netz, hat den Netze-Partner von Telefonica zu Vodafone gewechselt. Das sind klare Beleg dafür, dass die Ausgangsvoraussetzung einer Diensteanbieterverpflichtung (wir erinnern uns: das war der nachgewiesenermaßen gestörte Wettbewerb) nicht vorliegt.

Mobilfunk auch für den schmalen Geldbeutel 

Klagen über hohe Preise sind in Deutschland, wo der Slogan „Geiz ist geil“ erfunden wurde, Volkssport. Die Gründe sind unterschiedlich: Manch einer will nur wenig Geld ausgeben, manch einer kann nur wenig Geld ausgeben. Für die Mobilfunktarife auf dem deutschen Markt lässt sich aber feststellen, dass sie im internationalen Vergleich fair sind. Das gilt auch für 5G-Tarife. Denn auch diese sind für Kunden von alternativen Anbietern längst verfügbar. So hat Freenet inzwischen mit allen drei Netzbetreibern 5G-Verträge geschlossen.

Nach einer Studie des Digitalverbands BITKOM liegen die Preise für Handy- oder Datenverträge gemessen an anderen großen Industrieländern durchweg im internationalen Schnitt. Für Einsteiger oder Normalnutzer sind sie hierzulande sogar günstig. Das liegt eben an der Vielzahl der Wettbewerber auf dem deutschen Mobilfunkmarkt. Sie erzeugen einen Preisdruck, der vor allem bei Einsteigertarifen zu attraktiven Angeboten führt. Auch die EU-Kommission hat in einer Studie zu Mobilfunkpreisen in Europa im Juli 2022 festgestellt, dass die Preise in Deutschland relativ günstig sind und unter dem EU-Durchschnitt liegen. Und nicht nur das – in Deutschland ist 5G nicht nur im High-End-Segment verfügbar, sondern auch in Tarifen mit geringerem Datenvolumen. Das ist im Ausland keine Selbstverständlichkeit.    

Mobile digitale Teilhabe ist also auch für den schmalen Geldbeutel erschwinglich und hohe Preise, wie sie ein nicht funktionierender Wettbewerb hervorbringen würde, sind hierzulande Fehlanzeige. Wo sich durch die gegenwärtige Inflation stetig steigende Kosten in nahezu allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen registrieren lassen (Gesamtindex mit einem Plus von 7 Prozent, Nahrungsmittel kommen auf ein Plus von 17 Prozent), bilden Mobilfunktarife die große Ausnahme. Entgegen dem allgemeinen Trend liegt hier die Preisentwicklung bei minus einem Prozent. Und dass, obwohl die wichtigen Telekommunikations-Vorprodukte Tiefbau und Energie rasante Preissteigerungen aufweisen. Auch bei der Frage der Verbraucherpreise ist also auf weiter Flur kein Grund zu sehen, der nach einer Diensteanbieterverpflichtung schreit.

Investieren oder abkassieren?

Eine Diensteanbieterverpflichtung ist somit nicht nur nicht nötig. Sondern sie ist auch gefährlich. Denn im Prinzip führen die Preise, die investierenden Netzbetreibern damit vorgeschrieben wären, zu einer Entwertung ihrer Investments. Jeder Anbieter bekäme die neuesten Netztechnologien, für einen staatlich festgeschriebenen Preis, aber nur die echten Netzbetreiber müssten die Investitionslast stemmen. Sie zahlen die nötigen Milliarden für die Infrastruktur, während alle anderen sich einfach ins gemachte Netz setzen und – frei von jeglichen finanziellen Lasten, beflügelt durch Billig-Tarife – Kasse machen können. Aber wer ist dann noch bereit, hohe Investitionen in den Netzausbau zu schultern? Wer kann sich dann infrastrukturell noch mehr als nur das Allernötigste leisten? Wer schließt dann die weißen Flecken? Wer geht dann ins unternehmerische Risiko, um in Deutschlands mobilen Netzen 5G zu vollenden, Edge Computing einzuführen, 6G vorzubereiten? Das alles sind unkalkulierbare Risiken für die deutschen Mobilfunknetze. In Anbetracht eines erwiesenermaßen gut funktionierenden Wettbewerbs und keinerlei finanzieller Schranken für die digitale mobile Teilhabe würde die Idee einer Diensteanbieterverpflichtung Deutschland einen echten Bärendienst erweisen. 

Dachterrasse und Kuppel des Reichstags in Berlin.

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