Von undurchschaubarer KI und Humor
Mediziner und Komiker Dr. Eckart von Hirschhausen im Interview.
Ihre größte Angst beziehungsweise Befürchtung vor KI ist?
Eckart von Hirschhausen: Ach, als Kenner der menschlichen Seele sehe ich künstliche Intelligenz immer im Wechselspiel mit menschlicher Dummheit und die ist unendlich, wie Einstein schon einmal gesagt hat. Das heißt, also die Möglichkeiten, das zu delegieren an Algorithmen enthebt uns nicht der Verantwortung darüber nachzudenken, in welcher Welt wollen wir selber leben. Die digitale Revolution kam einher mit dem Versprechen, Wissen zu demokratisieren. Was wir heute nach 20 Jahren Internet sehen ist: die Welt ist nicht klüger geworden, sondern dümmer. Im Krankenhaus wurden intelligente Systeme eingeführt mit dem Versprechen, wir nehmen euch Routinetätigkeiten ab. Das ist auch passiert, aber viele Dinge sind deswegen nicht einfacher geworden, sondern eher noch umfangreicher in der Dokumentation. Die Zeit am Patienten ist das, was zählt. Wenn mir digitale Lösungen dabei helfen, mehr Zeit in Zuwendung, in Gespräche, in Erklären zu verwenden, wunderbar! Ich glaube aber tatsächlich, dass der größte Hebel zur Veränderung im Gesundheitswesen nicht von den etablierten Playern kommt, sondern von den Patienten und da setze ich meine Hoffnung rein, dass die verstehen: Ich kann mir vor einem Arztbesuch, vor einem Krankenhausaufenthalt sehr viel mehr Informationen heute holen aus dem Netz als früher. Ich kann für die Transparenz sorgen, die das System über Jahrzehnte verändert hat.
Sie sprachen es schon an, KI oder „künstliche Intelligenz“ kann große Datenmengen schneller und auch oftmals besser auswerten als der Mensch. Wird das zukünftig ein noch stärkerer Hebel sein, um Krankheiten wie beispielsweise Krebs oder auch Demenz zu bekämpfen?
Eckart von Hirschhausen: Daten verändern keine Krankheiten, sondern das, was Menschen 15 Jahre besseres Leben und längeres Leben beschert, sind fünf einfache Dinge, nämlich: nicht rauchen, bewegen, Gemüse essen, weniger Fleisch, nicht so viel Alkohol trinken und spirituell gesprochen, erwachsen werden und Kind bleiben, neugierig bleiben. All das kann mir keine Software abnehmen. Ich wünschte mir, dass wir realistischer sehen, das, was Menschen in ihrem Körper, in ihrer Seele brauchen und wir wissen heute schon, dass Jugendliche, die sehr viel Zeit in digitalen Welten unterwegs sind, depressiver sind. Die haben sogar weniger Sex, das heißt das, wofür wir evolutionär gebaut sind, miteinander in Kontakt zu sein, uns auch zu berühren und nicht nur auf Screens darauf zu achten, dass man irgendetwas wischt, das geht verloren und das sehe ich mit großer Sorge. Ich bin überhaupt kein Kulturpessimist, aber ich sehe, dass diese Gesellschaft auseinanderbricht und das, was uns eigentlich verbindet, nämlich zusammen gemeinsame Erlebnisse haben, nur noch vor Geräten stattfindet. Warum gehen denn Männer ins Fußballstadion? Für das Spiel auch, aber vor allen Dingen um einmal wieder ein positives Gemeinschaftserlebnis zu haben. Ich bin selber noch in der Kirche zum Beispiel. Es gibt wenige Institutionen, die über Generationen greifen und ganz viel in der digitalen Welt macht die Gruppen, mit denen ich mich auseinandersetze immer kleiner. Immer weniger echte Auseinandersetzung, echte Begegnung findet statt und natürlich ist es toll, was man da heute kann. Ich bin mit meiner Stiftung eben auch dabei, die digitalen Möglichkeiten für die Fortbildung von Pflegekräften zu nutzen, für seelische Gesundheit, weil viele Leute sich nicht trauen, zum Psychiater oder zum Arzt zu gehen, wenn die denken „Mensch ist das noch normal? Bin ich depressiv? Brauche ich Hilfe?“. Da ist das ein riesen Segen, dass man da auch sozusagen vor dem Schritt sich digital informieren kann. Aber dass das menschlichen Kontakt ersetzt, das ist ein großer Irrglaube.
Da schließt sich nämlich auch schon meine nächste Frage an. Also es gibt ja viele große Firmen, die an Super-Algorithmen oder an Diagnosetools arbeiten und diese entwickeln. Wie ist das aus Ihrer Sicht? Wie wird sich das auf unser Gesundheitssystem auswirken?
Eckart von Hirschhausen: Wovor ich Sorge habe, ist, dass undurchschaubare Algorithmen darüber entscheiden, was als relevant gilt und was nicht. Wenn ich bei Google ernsthafte Gesundheitsthemen in die Suchanfrage gebe, erscheinen da Treffer. Was aber nicht klar ist, ist: Führt das auf Seiten, die evidenzbasierte wissenschaftlich fundierte Medizin sind, ist das totale Außenseitermeinung, steckt da Werbung dahinter, ist da jemand interessiert daran, mir ein Medikament zu verkaufen? All das muss transparent sein. Und das ist es im Moment nicht. Das heißt also, es geht jetzt gerade ein großer Kampf los um die Deutungshoheit im Netz. Wem gehören denn diese ganzen schlauen Daten? Wer nutzt die für seinen Profit? Wer nutzt die gemeinwohlorientiert? Und da sind wir noch ganz am Anfang, das irgendwie so sinnvoll zu regeln, dass man nachher nicht für Information, die wir gemeinschaftlich finanziert haben, auch noch zahlen muss.
Und halten Sie es für realistisch, dass wir uns in der Zukunft den Besuch beim Arzt komplett ersparen, über diese Tools?
Eckart von Hirschhausen: Wenn ich eine Wunde habe, die gut verheilt, dann sitze ich beim Arzt manchmal Stunden im Wartezimmer, bin in ländlichen Regionen auch noch kilometerweise unterwegs gewesen, nur damit er einmal drauf guckt und sagt: „Ja, ist gut verheilt“. Wenn er das auf dem Foto erkennen kann, bin ich ein großer Fan davon, das telemedizinisch zu sortieren. Also ich sehe es nicht als ein Entweder Oder. Wir können ja auch nicht das Rad zurückdrehen, aber die Schlüsselfrage wird sein: Wer definiert diese Prozesse? Wer hat da welches Interesse? Und deswegen finde ich es gut, dass Sie sich da auch als Unternehmen für eine gesellschaftliche Verantwortung stark machen.
Ihre Stiftung „Humor hilft heilen“ hat den Ansatz, mehr Menschlichkeit in die Medizin zu bringen und Sie sprachen vorhin auch von einer sinnvollen Digitalisierung. Können Sie ganz kurz noch einmal zusammenfassen, was das nach Ihrem Verständnis ist?
Eckart von Hirschhausen: Humor hilft heilen wird abgekürzt HHH und der Humor ist uns als die höchste kognitive Fähigkeit des Menschen mitgegeben worden, um mit Paradoxie, mit Widersprüchen, mit unauflösbaren Dingen unseren Frieden zu machen. Und das kann eben kein digitaler Computer uns abnehmen. Es gibt keinen guten Witz, den jemals einen Computer geschrieben hat. Also das ist die letzte Domäne in meinen Augen, die garantiert analog bleibt und eben zwischenmenschlich funktioniert. Wir können uns nicht selber kitzeln. Meine Stiftung Humor hilft heilen ist angetreten vor zehn Jahren, um eine kleine Speerspitze gegen diese unglaubliche brutale Ökonomisierung in der Gesundheitswelt zu bilden, um zu sagen: „Lasst uns mit Clownsvisiten die Kinderstationen menschlicher gestalten.“ Wir machen inzwischen ganz viel für Pflegekräfte. Wir machen Workshops für die existierenden Teams und auch Programme für die Pflegeschulen. Und da sind wir gerade dabei eine App zu entwickeln, wo eben Inhalte aus der Psychologie, die bisher nirgendwo richtig vorkommen zum Beispiel wie gehe ich mit Stress um, wie gehe ich mit belastenden Situationen um, wie spreche ich Konflikte im Team an? All diese Dinge, die eigentlich in Unternehmen selbstverständlich sind, dass man das den Leuten beibringt, spielen im Krankenhaus überhaupt keine Rolle.
KI in der Medizin
Eckart von Hirschhausen über künstliche Intelligenz, Patienten und Humor.