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Inside China - Eine Expertin erzählt

Interview mit Mareike Ohlberg vom Mercator Institute for China Studies.

Interview-Ohlberg

Warum ist China heute führend in Sachen künstlicher Intelligenz? Was machen die Chinesen besser oder schlechter als wir Europäer?

Mareike Ohlberg: Das ist zum großen Teil einfach, dass die chinesische Regierung beschlossen hat, dass es strategisch für China wichtig ist, da zu investieren und dementsprechend stecken sie halt auch wahnsinnig viel Geld und Planungen da rein.

In 2020 will China ein so genanntes „Social Credit“-System einführen. Was ist das genau?

Ohlberg: Bei dem Wort “System“ denkt man ja häufig an ein zentral gesteuertes System. Das ist hier nicht der Fall. Das Wort System muss hier eher als gesetzlicher Rahmen verstanden werden. Das heißt, das ist eine riesige Initiative und da laufen diverse Projekte, die sowohl Bürger als auch Unternehmen auf Basis von größeren Datensammlungen bewerten sollen.

Das Jahr 2020 wird häufig genannt. Es ist allerdings so, dass bis 2020 kein einheitliches System einer zentralen Regierung stehen wird. Das kommt in den Plänen vor, die die chinesische Regierung herausgegeben hat. Die haben 2014 einen Hauptplan herausgegeben, da kommt dieses Datum vor. Es wird aber noch weitergeführt werden nach 2020.

Noch nicht fertig, aber Sie sagen, es geht um Weitergabe von Daten. Ist Datenschutz dann eigentlich noch existent?

Ohlberg: Es gibt in China entgegen unseren Erwartungen tatsächlich auch Datenschutzgesetze und eine Datenschutzdebatte. Das Problem ist allerdings, dass die sehr fokussiert ist auf Unternehmen. Das heißt, Datenschutz vor Unternehmen wird durchaus debattiert und in Teilen auch durchgeführt, aber Datenschutz vor der Regierung existiert so als Konzept nicht.

Können Sie Beispiele nennen, wie weit China mit der Umsetzung ist?

Ohlberg: Auf chinaweiter Ebene gibt es vor allen Dingen die „schwarzen Listen“ als Instrument. Da werden bestimmte Vergehen von Bürgern erfasst, das ist vor allen Dingen Verschuldung. Wenn ein Gericht festgestellt hat, man hat seine Schulden nicht zurückgezahlt, dann wird man auf diese schwarze Liste gesetzt und wird massiv eingeschränkt. Kann keine Zugfahrten mehr machen, kann nicht mehr fliegen, kann gewisse Hotelklassen nicht mehr besuchen. Und für Unternehmen gibt es ähnliche Vergehenskataloge durch die Unternehmen auf eine schwarze Liste kommen können. Zusätzlich dazu gibt es Piloten auf lokaler Ebene, wo Bürger tatsächlich bereits von ihrer Regierung bewertet werden. Das ist im Moment aber noch sehr lokal begrenzt und variiert sehr stark.

Und wie finden die Chinesen selbst das? Hört man davon etwas?

Ohlberg: Es gibt ein paar Studien, die besagen, dass Chinesen es generell eher unterstützen. Das ist auch mein persönlicher Eindruck, wenn ich mit Chinesen spreche. Viele haben den Eindruck, dass es einem großen Vertrauensproblem in der chinesischen Gesellschaft entgegenwirkt. Das soll aber nicht heißen, dass grundsätzlich alle Chinesen dafür sind oder dass diese Einschätzung zwangsläufig auf einer guten Informationslage basiert.

Der Aufschrei in Europa ist ja ziemlich groß. Ebenso die Warnung vor dem, was dort passiert. Können wir uns hier so sicher sein, dass etwas Ähnliches nicht hier auch eingeführt werden kann? Der Spruch "Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser" ist ja auch ziemlich bekannt hier bei uns.

Ohlberg: In dem Ausmaß, wie es in China jetzt existiert, wird es hier nicht eingeführt werden, aber das System ist auch an vielen Stellen missverstanden, weil es als das eine große zentrale System gesehen wird und sobald man so ein bisschen ins Kleinteilige geht, sieht man durchaus auch Parallelen. Also Bewertungen von Leuten durch große Internetkonzerne, durch Facebook, durch Twitter. Da wird man auch bewertet, da wird ein Profil von einem erstellt, oder Bewertung von Menschen für Versicherungen, für diverse Sachen. Also, es ist uns nicht völlig fremd, aber in dem großen Ganzen, wie es in China zusammengesetzt wird, ist es natürlich noch mal was ganz anderes.

Und wenn Sie zusammenfassend ein Gefühl oder ein Resümee geben würden, wie würde das ausfallen?

Ohlberg: Wir brauchen zu dem Thema eine differenzierte Debatte, in der wir uns die Einzelteile des chinesischen Systems – das nicht das eine große zentral gesteuerte System ist - sondern in der wir uns die Einzelteile anschauen, ohne gleichzeitig das Ganze zu verharmlosen.

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