Brauchen wir einen Frauen-Techie-Preis?
Eine Anwendung, die mit Künstlicher Intelligenz journalistische Berichte untersucht: Ist deren Wortwahl tendenziös? Stecken manipulative Absichten dahinter? Anastasia Zhukova hat mit ihrer Arbeit dazu den ersten Preis des „Frauen-MINT-Award“ abgeräumt. Der Award brachte mich ins Grübeln.
Hut ab! Und einen Riesenglückwunsch an Anastasia Zhukova. In ihrer Master-Arbeit hat die Absolventin der Uni Konstanz das Thema „Media bias“ untersucht: Auf diesem sozialwissenschaftlichen Gebiet prüfen Fachleute bislang manuell, ob Medienbeiträge voreingenommen sind oder die Wirklichkeit verzerren. Anastasia Zhukova entwickelte ein Tool, das Media Bias automatisch erkennt – mit Künstlicher Intelligenz (KI).
Eine beeindruckende Leistung. Umso mehr, da sie Technologie für eine gute Sache einsetzt. Und ein Erfolg, dafür ausgezeichnet zu werden. “Informationen beeinflussen unser Denken und unsere Entscheidungen. Und in den vergangenen Jahren haben wir auch gesehen, was voreingenommene News bewirken“, hieß es in der Laudatio. „Wir sehen Ihre Arbeit als wichtigen Beitrag in sozialer wie in technologischer Hinsicht.“
„Bias“ auch in diesem Blogbeitrag
Aber: Braucht man eigentlich einen Award nur für Frauen, um das ins Rampenlicht zu stellen?
Ich gerate ins Grübeln. Vor meinem geistigen Auge tauchen Situationen aus meinem Berufsleben auf. Bilder von Vertragsunterzeichnungen und anderen Feierstunden, von IT- und Technik-Events, Community-Treffen wie etwa der Smart Home-Fans, ja auch Management-Veranstaltungen. Es ist überall dasselbe, zumindest in unserer Branche. Oft sind Frauen unterrepräsentiert oder teils gar nicht dabei. Wer auf Twitter @UndwievieleFrauen folgt, bekommt einen Ausschnitt davon mit.
Und ich fasse mir an die eigene Nase. So versuche ich beim Texten einseitige Formulierungen zu vermeiden, in denen immer nur die männliche Form üblich ist. Dabei hilft mir (noch) keine KI, sondern meine Kollegin neben mir. Sie hat ein sehr gutes Auge dafür. In diesem Text hat sie indes schon zwei Fälle von Bias übersehen. Erstens: „Hut ab!“ – ein altertümliches, männliches Bild. Zweitens: „Aber braucht man eigentlich einen …“ – hier ließe sich das seltsame „man“ locker durch „es“ ersetzen.
Diversität statt Monokulturen
Zugegeben, das sind Kleinigkeiten, die niemandem auffallen. Aber in Summe richten sie viel an. Sie zementieren den Aufmerksamkeitsfokus auf eine männliche Welt. Dieser setzt sich fort in anderen Bereichen, Blickwinkeln und Alltagssituationen sowie den Ergebnissen unserer Arbeit. Produkt- und Softwareentwicklungen sind nur ein Beispiel. Unsere Technologie & Innovations-Chefin Claudia Nemat plädiert wiederholt dafür, wie wichtig gemischte Teams sind: „Unterschiedliche Perspektiven entstehen in Teams mit verschiedenen Menschen – und nicht in Monokulturen“, bloggt sie in unserem Intranet. „Solche Teams sind zwar anstrengender zu führen, kommen aber zu besseren Ergebnissen. Ein gutes Beispiel hierfür ist mein Führungsteam – hier gibt es Männer und Frauen, Menschen aus Deutschland, Südkorea, Amerika und Afrika; neben Techies zwei Mathematiker, eine Physikerin und eine Psychologin sowie einen Betriebswirt; extrovertierte und introvertierte Menschen.“
Um die Frage oben also zu beantworten: Ja, so ein Frauen-MINT-Award ist notwendig. Denn er motiviert mehr Talente, sich für MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu begeistern. Und leider nicht überall gibt es den so genannten Scully-Effekt. Dieser beschreibt ein Phänomen in englischsprachigen Ländern. Danach ergriffen überdurchschnittlich viele Frauen, die die TV-Serie „Akte X“ verfolgten, MINT-Berufe. Grund war die Protagonistin „Dana Scully“, die als FBI-Agentin und Medizinerin schwierige Fälle löste. Wichtig sind mithin Vorbilder, zu denen unbedingt auch berühmte Frauen in Männerberufen zählen. Also: Gut, dass es neben anderen Initiativen auch einen Frauen-MINT-Award gibt, der noch mehr Vorbilder hervorhebt. So wie Anastasia Zhukova – und alle anderen Gewinnerinnen.
Über den Frauen-MINT-Award der Deutschen TelekomDie Deutsche Telekom, das Studierendenmagazin „audimax“ und die Initiative „MINT Zukunft schaffen“ verleihen den Award seit 2014. MINT-Absolventinnen aus der ganzen Welt können ihre Abschlussarbeit zu strategischen Wachstumsfeldern einreichen. 2019 im Fokus: Cloud, Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Cyber Security und Netze der Zukunft. Die beste Abschlussarbeit wurde mit 3.000 Euro prämiert, zusätzlich wurden pro Wachstumsfeld je 500 Euro ausgelobt. Mehr Infos hier.
Die Preisträgerinnen auf einen Blick
Gesamtsieg Künstliche Intelligenz: Anastasia Zhukova
Masterarbeit: “Automated Identification of Framing by Word Choice and Labeling to Reveal Media Bias in News Articles”, Uni Konstanz
Cyber Security: Jeannine Born
Bachelorarbeit: “An analysis of live migration strategies for live network deception of highly-interactive adversaries”, TU Dresden
Künstliche Intelligenz: Theresa Tran
Masterarbeit: “A Game Theoretical Approach to Explainable Machine Learning”, TU Darmstadt
Netze der Zukunft: Katja Ludwig
Masterarbeit: “Efficient Online Topology-Aware Network Slice Embedding for 5G Mobile Networks”, Uni Augsburg/TU München
Internet der Dinge: Lotte Steenbrink
Masterarbeit: “Improving Reliability in Wireless Sensor Networks through Interference-Adaptive TSCH Cell Assignment”, TU Hamburg
Cloud: Ramona Kühn
Masterarbeit: “Predictive Cloud Compliance”, Uni Passau
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