Sechs Thesen zu Innovation
Ein Beitrag von Claudia Nemat, Vorstand Technologie und Innovation, Deutsche Telekom.
Was ist Innovation? Und vor allem: Wie bekommt man das hin? Mit dieser Frage setzen wir uns bei der Telekom sehr intensiv auseinander. Wir haben daraus sechs Thesen entwickelt, die für uns relevant sind. Aber ich denke, vieles davon gilt bestimmt nicht nur in der Telekommunikation.
1. Innovation ist Rekombination
Der Volksmund sagt, man müsse das Rad nicht neu erfinden. Aber, stimmt das? Die neuen Techniken, die mit der Digitalisierung einhergehen, bieten die Chance, Dinge, die bereits existieren, miteinander zu kombinieren. Beispiel Auto. Es existiert seit hundert Jahren. Das Geschäft mit dem Auto wird aktuell von drei Disruptionen erfasst. Zunächst ist da der Antrieb. Der Elektromotor ist dabei, den Verbrennungsmotor zu verdrängen. Zweitens das selbstfahrende Auto. Und schließlich das Thema „Sharing“. Muss man ein Auto besitzen oder zahlt man die Nutzung pro Kilometer oder Stunde? Die drei Beispiele haben einen gemeinsamen Nenner: Durch die Kombination entsteht aus einem traditionellen Alltagsgegenstand etwas Neues, das für den Menschen großen Nutzen bringt. Etwas Ähnliches ist auch in unserer Branche zu beobachten. Seit mehr als hundert Jahren war Telefonie von Hardware geprägt, also von Telefonleitungen. Doch durch die Digitalisierung der Infrastruktur werden Netze immer stärker von intelligenter Softwaresteuerung geprägt. Das wird uns ermöglichen, unsere unterschiedlichen Infrastrukturen auch länderübergreifend zu virtualisieren. Wir sprechen hier von PanIP und „Cloudifizierung“.
2. Monokulturen fühlen sich gut an, bringen aber nichts
Die amerikanische Serie „Mad Men“ nimmt eine monokulturelle Arbeitswelt auf die Schippe: weiße Männer aus einem bestimmten Milieu haben in einer New Yorker Werbeagentur in den 60er Jahren das Sagen. Nicht nur in der Kommunikationsbranche geht es heute glücklicherweise diverser zu. Und das aus gutem Grund. Wenn es nämlich um Innovation geht – sprichwörtlich das Rad oder das Auto neu zu erfinden – dann braucht es unterschiedliche Expertise und Sichtweisen auf Fragestellungen. Das trifft nicht nur auf die Genderfrage zu, sondern auch auf Vielfalt in Aspekten wie Ausbildung, Kultur, Internationalität, Alter. Studien belegen dies. Bei Microsoft entwarfen weiße Männer mit kräftigen Händen Spielekonsolen, die dann im asiatischen Markt natürlich nicht funktioniert haben.
3. Egal wer Du bist, die Mehrheit der smarten Leute arbeitet für jemand anderen
Dieses Zitat von Bill Joy, Gründer von Sun Microsystems, ist keineswegs als Geringschätzung der eigenen Kollegen zu verstehen. Vielmehr ist seine Aussage eine Replik auf Bill Gates’ Eigenlob, dass Microsoft ein „Monopol auf IQ“ habe. Tatsächlich plädiert Joy für mehr Kooperation. Dabei bezieht er sich nicht nur auf die Aufhebung von Silos und bessere Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens, sondern auch für mehr Kooperation zwischen Unternehmen. Mit Blick auf Innovation und Digitalisierung wird daraus auch für die Telekom ein Schuh. Denn innovative Geschäftsmodelle und die zugrundeliegenden Wertschöpfungsketten sind zunehmend komplex. In diesem komplexen Umfeld ist es entscheidend, mit den uns zur Verfügung stehenden Kompetenzen sinnvolle Kooperationen einzugehen.
4. Innovation denkt nicht in Gadgets, sondern in Lösungen
Technologie ist kein Selbstzweck. Sie dient den Menschen. Nicht umgekehrt. Wir haben es in der Hand, aus den Chancen, die dieser Prozess bietet, das Beste zu machen – nicht nur für Wirtschaftswachstum, sondern für eine bessere Lebensqualität. Es geht um den Kunden, um seine Wünsche. Wir müssen verstehen, wo die heutigen und zukünftigen „Schmerzpunkte“ unserer Kunden liegen. Seine „Customer Experience“ müssen wir zum Nonplusultra machen. Etwa der Elektromotor beim Auto, der weniger CO2 verbraucht und hilft, die Klimaschutzziele zu erreichen, vorausgesetzt der Strom wird nicht in Kohlekraftwerken erzeugt. Wir schauen noch zu wenig über unseren Tellerrand und auf die Wünsche unserer Kunden. Dabei liegt enormes Potential vor uns, wenn wir uns diese These zu Herzen nehmen.
5. Innovation braucht Investitionen
Die Umsetzung innovativer Ideen erfordert den Einsatz von Kapital – das ist nichts Neues. Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegt Deutschland über dem OECD-Durchschnitt und hat in den letzten zehn Jahren zugelegt. Zugleich hinken wir im Vergleich mit den USA meilenweit bei der Finanzierung von Startups, insbesondere bei der späteren Wachstumsfinanzierung, hinterher. Private Investoren in Deutschland sind beim Wagniskapital zurückhaltend, ebenso bei der Einrichtung von Acceleratoren und Inkubatoren. Bei der Telekom haben wir uns auf die Fahne geschrieben, dass wir der starke Partner für junge Unternehmer sein wollen und unterstützen über verschiedene Wege Startups mit unserer Expertise, aber auch durch Venture Capital.
6. Innovation ist eine Kultur, keine Fachabteilung
„Culture eats strategy for breakfast“, ein gerne verwendetes Zitat des Managementexperten Peter Drucker. Er brachte damit zum Ausdruck, dass die richtige Unternehmenskultur mehr Wert sein kann, als eine perfekte Strategie. Denn Kultur beschreibt die Werte und Einstellungen in einem Unternehmen. Sie bestimmt daher wie Dinge umgesetzt werden. Somit auch die Strategie. Oder Innovationen. Ein kultureller Aspekt ist die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Zwar gibt es meist spezielle Innovationsbereiche, bei uns ist das der Vorstandsbereich für Technologie und Innovation. Das heißt aber nicht, dass dieses Ressort sich exklusiv mit Innovation beschäftigt. Im Gegenteil. Innovation muss über alle Ressortgrenzen hinweg gelebt werden – kooperativ und ohne jedes Silodenken. Und wir brauchen eine „ambidextre“ Führung, d.h. das richtige Gleichgewicht zwischen einer extrem agilen Art zu arbeiten, die Ausprobieren und Fehler zulässt, und der traditionellen, risikomindernden, hierarchischen Arbeitsweise. Wir brauchen also mehr Toleranz für Fehler und der ein oder andere Fehlversuch wird auch Geld kosten. Verzagtheit oder sogar Stillhalten - aus Angst, etwas falsch zu machen - ist keine Alternative!