Post-Pandemie: Siegt die Sehnsucht nach dem Gewohnten?
Wird die postpandemische Welt deutlich anders aussehen? Oder ist das Verlangen nach der „alten“ Normalität so groß, dass wir in unsere vertrauten Gewohnheiten zurückfallen?
Unbekanntes macht uns Angst
Menschen mögen keine Veränderungen. Es widerstrebt uns, unsere Komfortzone und den gewohnten Status quo zu verlassen und unbekanntes Terrain zu betreten. Das gilt vom Change-Prozess im Unternehmen bis zur Umstellung persönlicher Gewohnheiten oder Verhaltensweisen.
Wir scheuen die Anstrengung, unsere alltäglichen Routinen zu durchbrechen und halten an immer gleichen Entscheidungsmustern fest. Auch wenn wir eigentlich wissen, dass sie uns schaden. Der Grund: Wir sind es schlicht gewohnt, so zu entscheiden, erklärt die US-amerikanische Wissenschaftlerin Angela Duckworth, die zu Verhaltensänderungen forscht.
Und auch wenn wir uns dazu durchringen, Veränderungen in Angriff zu nehmen: Die Gefahr ist groß, dass wir aufgeben und in alte Gewohnheiten zurückfallen. Das hat ein Forscherteam um den britischen Psychologen Richard Wiseman in einer Studie zu Neujahrsvorsätzen nachgewiesen. Bei 88 Prozent der Teilnehmer reichte die Willenskraft nicht aus, diese durchzuhalten.
Erfolgsfaktoren für Veränderungen
Können wir unser Verhalten dennoch nachhaltig verändern? Ja. Mittels pain oder gain, Schmerz oder Gewinn. Heißt: Entweder fürchten wir negative Konsequenzen, wenn wir Gewohntes beibehalten. Oder wir versprechen uns von einer Veränderung so viele persönliche Vorteile, dass wir bereit sind, Unannehmlichkeiten auf uns zu nehmen.
Als die Corona-Pandemie ausbrach, passten wir unsere Lebensumstände innerhalb kürzester Zeit an. Aus Angst vor einer Ansteckung oder der Überlastung des Gesundheitssystems. Diese Veränderungen haben seither zu einem kollektiv empfundenen Verlust an Normalität geführt.
Führt unser Mangel an Veränderungsbereitschaft uns daher „Zurück auf Los“? Ist das Bedürfnis nach einer Normalität, in der wir handlungssicher sind, nicht ständig neu bewerten und entscheiden müssen, so massiv, dass wir uns wünschen, es werde alles wie zuvor? "Das Streben nach der Normalität von vor Corona ist groß. Doch welche Normalität ist es eigentlich, die wiederhergestellt werden soll? Wäre jetzt nicht die ideale Zeit, um zu entscheiden, welche Dinge aus der Zeit vor der Pandemie wir zurückhaben wollen und welche nicht?", fragte die Autorin Teresa Bücker vergangenen Herbst im SZ Magazin.
Ein anderes Verständnis von Work-Life-Balance
Werden die Erfahrungen aus der Pandemie ausreichen, Veränderungen und Neuerungen in uns zu verankern? So fest, dass wir sie beibehalten wollen und werden? Neben all ihren negativen Konsequenzen hat die Pandemie vieles wie im Zeitraffer vorangetrieben. Wir erleben viel Einschränkung, einiges hat sich aber auch bewährt. Neben Homeoffice und virtueller Zusammenarbeit haben wir ein anderes Verständnis für Work-Life-Balance gewonnen.
Wir haben – vor allem in der frühen Phase der Pandemie – Ideen und Ideale entwickelt. Dazu zählen eine bessere Bezahlung für systemrelevante Berufe, nachhaltigerer Konsum oder der Verzicht auf Flugreisen und Autofahrten. „Doch die anfängliche Aufbruchsstimmung ist schon wieder verstummt. Erinnern Sie sich an diese Diskussionen? Sie werden kaum noch geführt”, so die SZ-Kolumnistin Bücker.
Digitalisierung von Arbeit und Bildung bleibt
Dennoch: Auch wenn wir grundsätzlich wenig veränderungsbereit sein mögen, die Chancen stehen gut, dass wir einige Erkenntnisse und Erfahrungen in eine Zeit nach der Pandemie retten werden. Das gilt für die Digitalisierung und Technologisierung von Arbeit, Einkauf, Bildung oder Freizeitaktivitäten.
Schon jetzt beobachten wir aber auch, dass die Erfahrungen aus der vergangenen Zeit zu veränderten Lebenskonzepten führen. Außerdem wandelt die Krise unser Bewusstsein, so der Zukunftsforscher Horst Opaschowski. Er prognostiziert eine neue Besonnenheit und Konzentration auf das Wesentliche: Gesundheit, Sicherheit und Geborgenheit.
Unsere grüne Arbeitswelt
Die Arbeitswelt wird grüner. Grüner im Sinne von nachhaltiger. Wie werden ökologisches Gewissen sowie soziale und ökonomische Verantwortung die Zukunft der Arbeit prägen? Eine Annäherung an ein komplexes Thema.