LTE:"Wenn der Lotse von Bord geht, wird es eigentlich langweilig"
Ihr Job: Große Containerfrachter durch die Elbe führen. Warum sie dabei mobiles Internet nutzen, erklären die Lotsenbrüder bei einer Ausfahrt.
Die ElbeBlogger fahren auf der Elbe bis ans Ende des Flusses: Mit einem Lotsen begleiten sie einen Frachter bis in die Nordsee. Und auch hier ist eine Mobilfunk-Verbindung wichtig - beruflich wie privat.
Über die Brunsbütteler Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals gehen wir mit der Erlaubnis des Kapitäns an Bord des Tankers "Patani". Die Zeit hat ihre Spuren an der kaiserlichen Schleuse hinterlassen. Das bestätigt Medienberichte, die ich schon vor zwei Jahren über diesen Wasserweg gehört habe. Seitdem scheint nicht viel passiert zu sein. Zwei Schleusen sind kaputt, dafür wird eine fünfte Schleuse gebaut. Beziehungsweise ein Parkhaus, wie Elblotse Carsten Niederheide anmerkt. Noch ist auf der Baustelle kein Unterschied zu erkennen.
Carsten Niederheide begleitet Markus Jodl und mich an diesem Tag, sein Kollege navigiert die "Patani" auf die Elbe und von dort in die Nordsee. Die beiden Lotsen kennen jeden Meter der Elbe und wissen um den Fluss bestens Bescheid. Sie selbst sind jahrelang zur See gefahren, haben Nautik studiert und besitzen ebenfalls das Kapitänspatent. Jetzt beraten sie andere Kapitäne, die auf das Sonderwissen der Elblotsen angewiesen sind. Ohne einen Elblotsen darf keine der großen Schiffe die Elbe befahren.
"Wenn der Lotse von Bord geht, wird es eigentlich langweilig", erklärt Elblotse Niederheide. Er ist sehr gerne zur See gefahren, wie wohl alle Lotsen. Doch die richtige Herausforderung ist nicht die Fahrt auf dem Meer, sondern die Navigation der meist mehrere Hundert Meter langen Schiffe in den engen Fahrrinnen von Flüssen. Die Elbe ist nur auf einer Breite von 400 Meter schiffbar, wenden kann hier kein Schiff. Sich jeden Tag einzig und allein dieser Herausforderung zu stellen, wirkt so, als ob man in einem Computerspiel nur noch das letzte Level gegen den Endgegner bestreitet.
Neben der Erfahrung kommt es deshalb auch auf Geschwindigkeit an und Informationen. Mit dem Computer namens "Personal Pilot Unit" haben die Elblotsen Zugriff auf alle wichtigen Informationen, beispielsweise aktuelles Kartenmaterial von Lisy, dem Lotsen Information System, und die Verkehrssituation auf der Elbe. Deshalb ist der Zugang zu schnellem Netz auf diesem Teil der Elbe sehr wichtig. Die Telekom hat zwar auch hier das LTE-Netz ausgebaut und versorgt somit auch die Elbmündung mit schnellem Internet, doch nur zwei von drei Lotsen besitzen ein LTE-fähiges Toughbook. Die anderen nutzen ein Tablet ohne LTE. Der Ausbau des Mobilfunknetzes ist deshalb für die Elblotsen äußerst wichtig.
Telefonieren geht immer. Doch mit dem datenfähigen Mobilfunkstandard UMTS hat man das Gebiet der Elbmündung nicht komplett abgedeckt. Zawr ist das Internet äußerst relevant für die Elblotsen, Hilfe bekommen sie allerdings von keiner Seite. Die Wirtschaft, die über 65 Prozent des deutschen Imports und Exports auf Wasserstraßen über den Hamburger Hafen transportiert, interessiert sich genauso wenig für das Internet wie die Politik, die trotz der einmaligen Bedeutung dieses Teils der Elbe immer noch keine Förderung für den Ausbau des Mobilfunknetzes zur Verfügung gestellt hat. Mit Funk- und Faxgeräten schaffen die Elblotsen die nötigste Kommunikation.
Wir verlassen nach über drei Stunden Fahrt die "Patani". Ein Tender genanntes Boot der Elblotsen nimmt uns auf und bringt uns zum Stationsschiff "Hanse", das auf halbem Weg zwischen der Insel Neuwerk und Helgoland liegt. Eigentlich wird die "Elbe" dafür eingesetzt. Auf ihr hat die Telekom einen Repeater eingebaut, der durch die LTE-Verbindung zumindest allen Männern an Bord einen Zugang übers WLAN ermöglicht. Die nur noch selten genutzte "Hanse" ist quasi offline. Die Elblotsen sind nur einige Stunden an Bord, doch die Schiffsbesatzung ist bis zu zwei Wochen am Stück im Einsatz und das ohne Zugang zum Internet.
Unser Aufenthalt ist nur von kurzer Dauer. Elblotse Carsten Niederheide hat uns schon auf der "Lagarfoss" angemeldet, einem isländischen Container-Schiff, das einer seiner Lotsenbrüder zurück bis Brunsbüttel navigieren wird. Dort übernimmt dann stets ein anderes Mitglied der Lotsenbrüderschaft Elbe und bringt das Schiff sicher in den Hamburger Hafen. Mit einem Tender fahren wir zur "Lagarfoss" und klettern bei laufender Fahrt über eine Strickleiter auf das Schiff.
Wir sitzen auf der Brücke und schauen aus dem Fenster. Es ist ein wunderschöner Sommertag, die Elbe glitzert im Sonnenlicht und wir fahren an Sandbänken und Vogelinseln vorbei. Die Arbeit erscheint mir zunehmend reizvoller. Hier auf der Elbe zu arbeiten, riesige Schiffe navigieren zu dürfen und über die Bedeutung seines Schaffens Klarheit zu haben, muss etwas Tolles sein. Auch diese Arbeit kann hart sein, die Verantwortung ist groß, doch sie erscheint mir so viel wesentlicher als das, was ich manchmal mache. Doch Elblotse werde ich wohl nicht mehr, obwohl Bedarf besteht.
Der mangelhafte Mobilfunk-Empfang ist nicht das größte Problem der Elblotsen. Es fehlt an Nachwuchs, denn deutsche Kapitäne sind in der globalen Seefahrt aufgrund ihres höheren Einkommens immer seltener gefragt. Nur wenige Seemänner besitzen die nötige Ausbildung und Sprachkenntnisse, um überhaupt für den Dienst in Frage zu kommen. Ben Lodemann, der Ältermann der Lotsenbrüderschaft, arbeitet deshalb an neuen Voraussetzungen für die Zulassung, wie er im Mai in einem Interview schilderte.
Die Lotsen mögen in der Öffentlichkeit nicht sehr sichtbar sein, doch wir alle sind auf ihre Dienste angewiesen. Die meisten unserer Gebrauchsgüter haben Lotsen in den Hamburger Hafen gebracht. Ohne sie würden sich die Regale in unseren Kaufhallen und Fachgeschäften nicht füllen. Die fehlende Unterstützung seitens der Politik und Wirtschaft verwundert mich deshalb sehr.
Die Elblotsen haben einen prägenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ich werde wohl hier oben, zwischen Hamburg und Cuxhaven, kein Schiff mehr sehen, ohne daran zu denken, dass dort gerade ein Elblotse arbeitet und das Schiff sicher navigiert. Vielleicht hätte ich doch lieber Elblotse statt ElbeBlogger werden sollen.
Tipp: Mehr Videos und Fotos von den ElbeBloggern auf hoher See findet ihr auf dem Twitter-Account von Markus Jodl und dem Instagram-Account von Tobias Schwarz.
(Tobias Schwarz)